Der See als Wandergenosse

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Ich hab ja den Orientierungssinn einer Seegurke. Unterwegs wiegen mich GPS und Google Maps zwar ein wenig in Sicherheit, wirklich lesen oder anwenden kann ich diese Applikationen aber nicht. Ich bin eine von diesen Personen, die sich minutenlang mitsamt Handy fragend im Kreis dreht, um dann doch in die falsche Richtung loszulaufen. Meine bevorstehende Wanderung auf dem Waldstätterweg stand somit unter den besten Sternen.

Der Waldstätterweg ist in sieben, bzw. neun Etappen aufgeteilt und führt rund um den Vierwaldstättersee. Doch welche Etappe soll ich ganz alleine wandern? Ich studierte die Höhenprofile der verschiedenen Etappen (wo gehe ich am wenigstens drauf?), lies mir die Wegbeschreibungen durch (nicht das ich mir das merken könnte) und schaute mir Fotos an. Meine Wahl fiel auf die Etappe 7. Von Beckenried, über die Uferstrasse nach Risleten, Aufstieg durch die kühlende Risletenschlucht, weiter nach Volligen, bis nach Rütli an den Urner See. Die Route sei mit der Nummer 98 signalisiert. Na dann los.

Immer schön der Route Nummer 98 folgen.

Von Luzern per Schiff nach Beckenried

Pünktlich um 10:12 setzt sich die MS Diamant von Luzern mit Kurs nach Flüelen in Bewegung. Wie ein Kätzchen jage ich den wärmenden Sonnenstrahlen nach und platziere mich auf dem Sonnendeck des Motorschiffes. Da der morgendliche Fahrtwind Mitte April doch noch etwas frisch ist für meinen Geschmack, kuschle ich mich noch tiefer in meinen Pullover und beobachte die vorbeiziehende Landschaft. Um 11:26 gehe ich in Beckenried von Bord und suche den ersten Wegweiser, der glücklicherweise gleich an der Schiffsstation positioniert ist. Während die MS Diamant zurück in See sticht, folge ich der Uferstrasse. Die Sonne lacht mir ins Gesicht und ich lache zurück.

Uferstrasse und Risletenschlucht

Die Uferstrasse führt mich am See entlang nach Risleten. Hübsche Einfamilienhäuser mit privatem Seeanschluss säumen das Ufer von Beckenried. Nach 4km erreiche ich eine herrlich kleine Bucht mit türkisfarbenem Wasser. An der steilen Felswand üben sich Kletterer, eine Familie grilliert an der Feuerstelle. Die Atmosphäre ist einfach traumhaft und das hellblaue Wasser erinnert mich an die verlassenen Buchten in Sardinien. Für eine Badesession reicht es mir temperaturtechnisch dann doch noch nicht.

Einige Meter neben der Bucht werde ich vom Rauschen des Risleten-Wasserfalles begrüsst. Es schäumt und spritzt. Mit etwas weichen Knien beobachte ich, wie sich das Wasser durch die Risletenschlucht frisst und sich dann tosend in die Tiefe stürzt.

Der Aufstieg

Nachdem ich die Schlucht und das wuchtige Rauschen hinter mir gelassen habe, folgt der Aufstieg. In relativ kurzer Distanz überwindet man hier 300 Höhenmeter. Sprich, etwas Kondition sollte man schon an den Tag legen. Meine Kondition sitzt zusammen mit meinem Orientierungssinn irgendwo in einer verruchten Bar und nippt an einem Whiskey. Sie ist also genau so wenig präsent. Einem keuchenden Nashorn mit Asthma gleichend und mit hochrotem Kopf erreiche in den obersten Punkt. Ich setze mich kurz hin und wünsche mir den Aufstieg doch etwas gemächlicher angegangen zu sein. Zeit hätte ich ja. Gottenfroh, dass ich die Höhenmeter im schattigen Wald bewältigen konnte, verputze ich eine Banane.

Der Aufstieg erfordert etwas Kondition, führt zum Glück aber durch den kühlen Wald.

Unterwegs Richtung Treib

Die nächsten 4km gestalten sich relativ gemütlich. Nachdem ich das letzte Teilstück im Wald bergab gelaufen bin, geht es ohne schützendes Blätterdach wieder leicht bergauf. Links der Vierwaldstättersee, vor mir die beiden Mythen. Unter der prallen Sonne passiere ich Bauernhöfe und suche mir ein lauschiges Plätzchen für meine Mittagsrast. Während ich unter einem blühenden Apfelbaum genüsslich mein Sandwich verspeise, geniesse ich die Vorzüge des Alleine-Reisens: Ich bestimme mein eigenes Lauftempo, wo und wann ich Pause machen will und meine Gedanken können einfach mal vor sich hin plätschern. Mein heutiger Wandergenosse ist der See und das reicht mir.

Nach der längst überfälligen Pause geht die Reise weiter. Und dann passiert es. Ich verlaufe mich das erste Mal. Am Dorfausgang von Volligen ist die Route 98 kurz nicht mehr angezeichnet und ich biege links zur Schiffsstation Treib ab, anstatt rechts weiterzulaufen. Zum Glück höre ich auf mein Bauchgefühl und kehre um (weibliche Intuition nehme ich an). Nur fünf Meter weiter vorne entdecke ich einen weiteren Wegweiser, wobei der Waldstätterweg wieder mit Route 98 angeschrieben ist. Nichtsdestotrotz bin ich auch ein wenig Stolz, dass ich mich erst nach 9km Wandern verlaufen habe.

Immer wieder lichtet sich der Wald und gibt den Blick auf den kleinen und grossen Mythen frei.

Ankunft in Rütli & Rückfahrt nach Luzern

Noch einmal geht es bergauf. Nachdem ich die befahrene Strasse hinter mir gelassen und ein kurzes Waldstück durchquert habe, bietet sich mir oben die Aussicht auf das spektakuläre Bergpanorama und den tiefblauen Urnersee. Nun alles bergab, vorbei am historischen Rütlihaus, wo sich gerade eine Junggesellenbande lautstark Biergläser um die Ohren haut.

Je nach Lust und Laune besteht hier die Möglichkeit für einen Abstecher auf die Rütli-Wiese. Laut der Sage schworen hier am 1. August 1291 die drei Abgesandten der Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden den ewigen Bund der Waldstätte. Von hier startet auch der «Weg der Schweiz», die 34 Kilometer lange Umrundung des Urnersees.

Nach knapp 4h 10min Wandern erreiche ich die Schiffsstation Rütli. Perfektes Timing – um 16:36 legt das Schiff nach Luzern ab. Zurück auf dem Sonnendeck des Schiffes, lege ich meinen Rucksack ab, ziehe die Schuhe aus und lasse mich von der lauen Seeluft umarmen.

Blick Richtung Urnersee. Die Schiffsstation Rütli ist in greifbarer Nähe.
Von Rütli aus gehts per Schiff zurück nach Luzern

Fazit

Die Etappe 7 des Waldstätterweges ist auch für nicht so geübte Wanderer machbar. Indem man stets am Vierwaldstättersee entlang wandert und die Route (meistens) gut signalisiert ist, kann man sich fast nicht verlaufen und besitzt zudem eine unverwechselbare Aussicht. Da einige Teilstrecken unter der prallen Sonne verlaufen und bis auf die Risletenschlucht, keine direkte Bademöglichkeit am Weg liegt, würde ich diese Wanderung nicht im Hochsommer empfehlen. Ausserdem kann man sich schön Zeit lassen beim Wandern. Ich war schneller unterwegs als gedacht und hatte zu Beginn geplant, das Schiff um 17:36 zurück nach Luzern zu nehmen. Vielleicht hätte sich auf diesem Schiff sogar noch ein schöner Sonnenuntergang über dem See ergeben.

Impressionen von unterwegs

Auch das Wartehäuschen bei der Schiffstation Rütli versprüht einen gewissen Charme

Der Waldstätterweg führt in sieben respektive zusammen mit der Partnerroute Weg der Schweiz in neun Etappen rund um den Vierwaldstättersee. Die gesamte reine Wanderzeit beträgt 46 Stunden, wobei die Etappenzeiten zwischen 4h 30 min und 6h 30 min variieren können. Innerhalb der Etappen bestehen jedoch vielfältige Möglichkeiten, die Wanderzeit mit dem ÖV (Schiff, Postauto, Bus, Eisenbahn) individuell zu verkürzen.

Infos und Tipps

Egal ob im Tanzstudio oder an der Bushaltestelle, Laila ist immer tanzend anzutreffen. Mit einem Lachen im Gesicht und einer Fotokamera in der Hand sucht die gebürtige Luzernerin überall nach Geschichten und Menschen die sie inspirieren. Oder einfach nach weiteren Orten um tanzen zu können. Mehr von Laila auf www.laila-schreibt.com

6 Gedanken zu „Der See als Wandergenosse

  1. So ein guter Text -als wäre man selbst dabei gewesen..auf alle Fälle Lust auf den Waldstädterweg bekommen! Liebe aus Bern j.

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