…wo man sie am wenigsten erwartet. Zum Beispiel auf einem spontanen Familienausflug vor der Haustüre in die «Wiege der Schweiz». Herrlich, Ausschlafen am Muttertag, die Sonne scheint. Spontan beschliessen wir, einen Ausflug zu machen. Unser Ziel: Eine Wanderung auf dem «Weg der Schweiz» von Seelisberg nach Bauen. Sogar die Kinder sind begeistert von der Idee, insbesondere weil es nur bergab geht.
Die Reise beginnt
Zeitlich etwas knapp wie immer, schreiten wir zur Schiffstation Gersau. Der Rucksack ist fast leer, einzig vier Taschenmesser haben wir dabei. Unterwegs gibt es ja zahlreiche Einkaufsmöglichkeiten. Wir entscheiden uns für die Anreise mit dem Schiff via Beckenried und von dort per Postauto nach Seelisberg Tanzplatz. Ab Gersau im Frühlingsfahrplan ist das die beste Anreisevariante.
Die Schifffahrt nach Beckenried ist traumhaft. Wir geniessen die Morgensonne und das sanfte Dahingleiten des Schiffes, während wir uns auf das bevorstehende Abenteuer freuen. Die 15 Minuten Aufenthalt vor der Abfahrt des Postautos wird genutzt, um im Christen Beck kurz die (sehenswerte) Toilette zu benützen, ein Kaffee to-go sowie leeres Brot und einige Nussgipfel einzukaufen. Was denn zwischen das Brot soll, ist noch unklar. Wir kennen uns aus, die Region ist touristisch erschlossen. Ab Emmetten leert sich unser Bus, die meisten Leute steigen aus und fahren mit der Gondelbahn Richtung Klewenalp-Stockhütte.
Ankunft in Seelisberg
In Seelisberg stellten wir überrascht fest, dass der Volg sonntags geschlossen ist. Gut sind wir über Beckenried angereist, somit haben wir wenigstens Brot (die Nussgipfel sind bereits weg). Gleichzeitig konnten wir die paar Höhenmeter von der Treib-Seelisberg-Bahn bis zum Tanzplatz einsparen, denn Höhenmeter stossen bei unseren Kindern (5 und 7 Jahre) nie auf Begeisterung. So starten wir direkt beim Spielplatz Tannwald. Dort erfährt man übrigens auf einer Infotafel, dass der Hausberg von Seelisberg, der Niederbauen, der Künstlerin De Boga als Inspiration für «Der Herrscher» diente. Die Grillstellen sind bereits um 11 Uhr reichlich besetzt mit freundlichen Leuten (und Esswaren), wir kriegen sogar unverhofft etwas Apéro ab. Die Kinder toben sich auf dem Spielplatz aus und wir Eltern geniessen die Atmosphäre. Seelisberg gilt als Kraftort, hier fühlten sich immer wieder grosse Denker hingezogen. Wir als nicht grosse Dichter und Künstler fühlen uns hier einfach wohl.
Der Start der Wanderung
Eingecremt und ausgepowert geht unsere Wanderung (6.6 km) los. Kaum gestartet entdecken wir eine Hinweistafel vom Goldi Gwundernasenweg, ich scanne den QR-Code und wir hören die Geschichte #7 über «die gmugget Wurscht» – schon sind wir wieder beim Fleisch-Thema! Ich kann die Kinder überzeugen, dass wir diesen spannenden Erlebnisweg auf ein andermal vertagen. Wenige Meter weiter turnen wir eifrig an einigen Stationen des Vitaparcours. Da wir eigentlich nach Bauen wollen, klappern wir nur diejenigen Stationen ab, die sowieso am Weg (Wanderweg Nr. 99) liegen. Der erste Kilometer liegt bereits hinter uns, ohne dass wir es bemerken.
Beim Aussichtspunkt Marienhöhe auf 847 Metern über dem Meeresspiegel geniessen wir die atemberaubende Aussicht. Ein Fernrohr der Geschichtsreise Seelisberg erklärt, dass dieser Blick als Vorlage für das berühmte Leinwandbild im Nationalratssaal im Bundeshaus steht, gemalt von Charles Giron im Jahre 1899. Wir sind uns beim Vergleich Bild-Ausblick sofort einig: Entweder stand der Künstler nicht genau da oder er hat seine künstlerische Freiheit ausgelebt. Tatsächlich: Recherchen ergaben, der Maler fügte die Rütliwiese und Felswände ein, belebte den Vierwaldstättersee mit Wolken und versteckte in diesen Wolke eine Friedensgöttin mit einem Palmzweig in der Hand. Diese Friedensgöttin missfiel zwar den Verantwortlichen, sie hat jedoch bis heute überlebt.
So oder so, der Blick ist grandios. Die Mythen thronen majestätisch über dem Talkessel Schwyz!
Fotospots Teufelsmünster
Weiter geht es zum Fotospot Waldweidli/Teufelsmünster, einen der 21 Fotospots in der Erlebnisregion Wiege der Schweiz. Sehenswürdigkeiten, historischen Orte und die schönsten Aussichtspunkte werden seit 2022 mit einem Fotospot in Szene gesetzt. Man kann ein Selfie machen und dazu das Handy in die Kerbe im Fotospot stecken. Ein gemütliches Holzbänkli lädt zum Verweilen ein.
Direkt unterhalb von Seelisberg liegt das Teufelsmünster, eine wuchtige Schlucht zum See hinab. Der Geschichte nach ist der Teufel, nachdem er beim Bau der Teufelsbrücke in der Schöllenenschlucht als Lohn nur einen Ziegenbock erhalten hat, auf dem Weg nach Luzern Kopf voran in diese imposante Felswand gesprungen. Dabei hat er seinen Gesichtsabdruck im Felsen hinterlassen – seitdem wissen die Seelisberger, wie der Teufel aussieht. Wir suchen vergeblich nach dem Abdruck des Teufels in der Felswand und wissen es bis heute nicht, wo sich dieser Abdruck genau befinden sollte. Vielleicht liegt es daran, dass wir keine Seelisberger sind.
Unsere Kinder sind nicht begeistert von den nächsten Metern auf Asphalt, aber das Gondeli welches zur Alp Weid führt wird umso mehr bestaunt. Ein weiterer Ausflug für die Liste.
Muttertagsüberraschungen und gastfreundliches Schloss Beroldingen
Die Kinder pflücken in den hohen Gräsern Blumensträusse für mich – es ist ja schliesslich Muttertag. Beim Schloss Beroldingen steht an aussichtsreicher Lage ein gedeckter Tisch bereit mit einem Krug Wasser und sauberen Gläsern. Auf einem herzlichen Schild von Rosmarie Glenz steht, man dürfe das Beroldinger Quellwasser sowie den Moment kostenlos geniessen.
Der Abstieg nach Bauen
Dann folgen die vielbesagten Treppen hinunter nach Bauen. Die Kinder entdecken die Markierungen der Anzahl Stufen und haben Spass daran, die Schritte zu zählen, was unseren Abstieg sehr unterhaltsam und kurzweilig macht. Zählen vorwärts, rückwärts, auf Deutsch und Englisch (zumindest bis 10). Zwischendurch ist der Weg gesäumt von aussichtsreichen Bänkli, die zum Verweilen einladen. Unerwartet verkauft ein Junge vom nahen Bauernhof leckere Würste und Nüsse, was uns äusserst gelegen kommt. Beim Rechnen muss unser Erstklässler etwas nachhelfen. Ein paar Schritte weiter, gelangen wir zum grosszügigen, gedeckten Picknick-Platz inklusive Wasserbrunnen, Getränkeautomat und WC-Anlage. Ich wäre im Leben nicht auf die Idee gekommen, dass wir hier unterwegs noch Fleisch zu unserem leeren Brot kaufen könnten. Und dann noch so feine Bio-Würste und Baumnüsse! Da ist er, der unerwartete Genussmoment mit dem unverhofften «Menü» inklusive gekühltem Getränk beim wunderbaren Picknickplatz. Wir gehen Tritt für Tritt runter und plötzlich sind wir oberhalb von Bauen mit Sicht auf die Kirche und den Urnersee.
Im Dorf Bauen steht vor dem Zwyssighaus ein weiterer Fotospot. Hier erfahren wir, dass Alberik Zwyssig aus Bauen 1841 die Schweizer Nationalhymne komponierte. Sofort wird eingestimmt… «Trittst im Morgenrot daher, seh’ ich dich im Strahlenmeer…» Sein Geburtshaus, das denkmalgeschützte Zwyssighaus, wird seit 1921 als Gasthaus genutzt.
Mit einer Glace in der Hand gehen wir zum steinigen Strand, dort erwartet uns ein Schieferstein-Paradies. Wir lassen das zuerst anvisierte Schiff passieren, eine Stunde später kommt sowieso ein Dampfschiff! Wir werfen die flachen Steine ins Wasser und geniessen das einfache, aber spannende Spiel. Der Wettbewerb war lanciert. So viele perfekte Schiefersteine an einem Ort habe ich selten gesehen! Es kommen mehr Leute hinzu, und bald sind wir eine grosse Gruppe Menschen, die flache Steine auf dem Wasser hüpfen lassen.
Abschluss und Heimreise
Die Option, nach Isleten weiterzuwandern, wird verworfen nach dem Schiefer-Abenteuer. Obwohl das ein weiteres Highlight gewesen wäre: den waghalsigen Wing-Foilern in Isleten zuzuschauen. Schon wieder ein Ziel für einen weiteren Ausflug – ab damit auf die Liste!
Das vertraute Horn des Flaggschiffs «Dampfschiff Stadt Luzern» ertönt. Es ist das grösste und imposanteste Passagierschiff auf dem Vierwaldstättersee und zudem das jüngste Dampfschiff der Flotte. Wir steigen ein, mein Mann und ich geniessen einen Kaffee hinten an Deck, während die Kinder den hypnotisierenden Vor- und Rückwärtsbewegungen der Kolben im Maschinenraum verfallen. Ein lustiger Zwischenfall nach dem Ablegen des Dampfschiffs beim Rütli sorgte für gute Stimmung: Der Kapitän räumt gastfreundlich für uns die Kaffeetassen ab. Kaum ist er um die Ecke, scherbelt es. Er streckt den Kopf zurück und versicherte uns mit einem charmanten Lächeln und nur noch einem Glas in der Sonnenbrille: «Alles gut». Humor ist ja bekanntlich, wenn man trotzdem lacht.
Ein unvergesslicher Tag
Es war ein toller Tag mit zufriedenen Kindern. Ohne Vorbereitung und spontan ist meistens das Beste, vor allem mit kleinen Kindern. So ist man auch nicht gefrustet, falls mal etwas nicht nach Plan gelingt. Obwohl wir in der Nähe wohnen und uns auskennen, waren wir das allererste Mal auf dieser Wanderetappe auf dem «Weg der Schweiz» unterwegs.
Die Wanderung war kurzweilig und die Ausblicke werden uns lange in Erinnerung bleiben. Ein Ausflug in der Wiege der Schweiz, den wir sicherlich bald wiederholen werden. Auf der Liste sind: Das grüne Gondeli zur Alp Weid. Und der Vitaparcours. Und der Goldi-Gwunddernasenweg. Und Isleten mit den Wing-Foilern. Und, und, und. Wir bleiben dran, die geschichtsträchige Erlebnisregion Wiege der Schweiz weiter zu erkunden.
Weiter Informationen & Links:
Gast-Bloggerin & Bilder: Mirjam Camenzind, 44, aus Gersau