… das habe ich. Allerdings nicht in einem Höhlenhaus, sondern in einer Jurte. Gwundrig wo? Nein, nicht im mongolischen Hochland, sondern bei Erika und Theo auf der Alp Wittenlauenen in Sörenberg in der UNESCO Biosphäre Entlebuch. Mit der erholsamen Nacht verbunden habe ich zwei Wanderungen, einer gemütlichen zum Einlaufen, einer zum Auspowern.

Im Vordergrund die Alp Wittenlauenen mit der Jurte (rechts), im Hintergrund die Schrattefluh – Kernzone der UNESCO Biosphäre Entlebuch

Gegen 11 Uhr steige ich in Sörenberg ins Gondeli, das mich zur Rossweid hochschaukelt. Diese ersten 300 Höhenmeter schenke ich mir – nach einer so langen Schlechtwetterperiode muss ich schliesslich das Wandern erst wieder erlernen. Sodann: Los geht’s, mein 2Tages-Wanderabenteuer! Unternehmenslustig schnüre ich meine Wanderschuhe und sattle den Rucksack. Route für heute: Schwarzenegghütte – Türndlimoos – Blattenegg – Wittenlauenen, rund 6km und 300 Höhenmeter – easypeasy, ein Märschli von knappen zwei Stunden.

Mein Taxi zur Rossweid – im Hintergrund der Rothorngrat, Ziel des zweiten Wandertages

Darfs ein bisschen moor sein?

Mein Märschli führt mich erst auf den grossen Moorrundweg und den Moorlandschaftspfad. Klar, schliesslich bin ich ja auch im Moorzentrum der Schweiz, der Biosphäre! Definitiv ist es eine Pracht, die sich mir hier präsentiert – auf der einen Seite die wilde, lebensfreudige Kuckuckslichtnelke, für mich der Hippie unter den Blumen.

Morgenstimmung im Moor, Tautropfen und Kuckuckslichtnelke, der Blumenhippie

Auf der anderen Seite das Blumenmeer der Flachmoore, welche in die seltenen Lebensräume des Türnli Hochmoors münden. Unschwer auszudenken, wie wohl sich hier, in der Abgeschiedenheit und Ruhe des Bergföhren Hochmoors, seltene Tier- und Pflanzenarten fühlen müssen. Links am Weg, kurz nach der Einmündung in den Feldweg durchs Türndlimoos, leuchtet mir der Posten 5 des Moorlandschaftspfads entgegen, was meine Wander-Sehnsucht noch mehr weckt – ein insgesamt 80km langer Weitwanderweg in fünf Etappen – den will ich mir auch wieder mal reinziehen!

Türndli Bergföhren Hochmoor, vor dem Brienzergrat
Scheuchzers Wollgras, im Hintergrund die Alp Türndli und der Brienzergrat

Ein bisschen Staunen, ein Mich-Bücken zu zierlichen Pflänzchen, ein Föteli mit dem Smartphone und ein Schluck Wasser aus der Trinkflasche. Ich schätze es unheimlich, mal genügend Zeit zu haben, eine Wanderung wirklich zu geniessen. Wie oft habe ich doch ansonsten jemanden neben mir, der lieber vorwärts macht statt zu Lauern.  

Bald beginnt der Weg zu steigen Richtung Blattenegg, ein kleines Pässli, auf dessen Passhöhe ich ein erstes Mal mein Tagesziel erblicke: Die Alp Wittenlauenen, links davon ein kleines weisses Pünkli, ‘meine’ Jurte!

Im Zentrum die Alp Wittenlauenen, in Vordergrund eine Herde eingezäunter Mutterkühe, im Hintergrund der Blick ins Obwaldnerische

Ich steige etwas hoch auf dem Wanderweg zum Lättgässli, der Rothorn-Variante für die Schwindelfreien. Zu diesen gehöre ich leider nicht, daher habe ich für morgen den Weg über die Nesslewäng gewählt. Dass meine Nicht-Schwindelfreiheit auch bei dieser arg auf die Probe gestellt werden wird, dazu später. Genüsslich verspeise ich meinen Mittagslunch, ’e ‘Füüschtu’ mit der Sonntagszüpfe unseres Unverpacktladens Kicherärbsli. Ich verweile ich ein bisschen, bevor ich meine Beine abwärts Richtung Alp Wittenlauenen laufen lasse. Wie mein Nachtlager wohl sein wird? frage ich mich voller Vorfreude.

gästesegment: Pferde, Ponys und Menschen

‘Willkommen Nina, auf der Alp!’, begrüsst mich Erika fröhlich. Sie ist grad noch am Verabschieden der letzten Gäste, die sich nicht so ganz von diesem schönen Fleck hätten loslösen können, wie sie augenzwinkernd meint. Oder waren es deren Tiere? Diese, zwei Pferde und ein Pony, genossen nämlich Ausnahmestatus. Denn: Normalerweise sind Tiere von Gästen auf Wittenlauenen nicht erlaubt. Der Mutterkühe wegen. Doch für die drei machte Erika eine Ausnahme, liess ihren Mann Theo gar eine Weide für sie abzäunen. Wenn das nicht Gastfreundschaft ist! Wohl ist es auch nicht grad einfach, eine Bleibe für drei grosse Vierbeiner zu finden. Erikas online-Reservationsformular bietet jedenfalls diese Eingabemöglichkeit nicht. Dafür sonst alles. Toll, wenn man eine Alp online reservieren kann und erst noch unverzüglich eine Bestätigung erhält, inklusive persönlicher Willkommensnachricht!

Meine Bleibe für diese Nacht

Wo ist sie nun also, meine Bleibe? Ich bin gespannt. Nicht wie andere Jurten in der Umgebung, stammt sie aus der Mongolei. Emmeneggers haben sie, mit Corona-Verspätung, direkt von dort importiert, inklusive Inventar wie Ofen und Holzkommode. Erika führt mich rein, erklärt mir das eine und andere. Herrlich, es ist voll gemütlich da! Ich freue mich schon jetzt, später zufrieden ins Bett zu plumpsen!

Original-Jurte aus der Mongolei. Foto: Erika Emmenegger
In der gemütlichen und farbenfrohn fühlt man sich direkt heimelig. (Foto: Erika Emmenegger)
Gäste-Tätschmeisterin Erika beim Erklären der Jurte
Innenleben der Jurte – ein farbenfrohes Wunderwerk!
Erika beim Schliessen des Jurtendachs zum Feuern, was mit den heutigen Temperaturen nicht nötig ist
Idyllisch inmitten auf der Alp eingebettet.

Meine eigene kleine Alp

Fast kommt es mir vor, als hätte ich neben Emmeneggers Alp die eigene kleine Alp.  Ich werde geschäftig und erledige tüchtig Arbeiten, die auf einer Alp so anfallen. Auf dem Schittstock beim Hoflädeli bereite ich mein Feuerholz vor – ich spalte die Schitter, trage sie zu meiner eigenen Feuerstelle neben der Jurte, decke unter dem grossen Bergahorn den Tisch und schneide meine Wurst ein. Aber: Bin ich damit um 15 Uhr nicht ein bisschen früh fürs Nachtessen? Wohl schon… Der Eifer hat mich übernommen. Also schalte ich einen Gang zurück, nehme mein Buch hervor und geniesse, was ich schon lange nicht mehr getan habe: lesen.

Holzlager und Schittstock für die Gäste. Herrlich, mal ein bisschen mit den Händen zu arbeiten!
Meine Küche – für einmal schön aufgeräumt…
Clever – was auf der Weide ungern gesehen ist (Blacke), kann man ja anders verwenden…
Natürlich stöbere ich ausführlich im Hoflädeli. Den Zyteröseli Honig habe ich mir grad fürs Frühstück besorgt
Meine Wohnstube; wenn auch die Jurte sehr gemütlich ist – heute ist es zu schön, um drinnen zu essen

Emmeneggers Alp seit jeher

Emmeneggers sind seit ewig hier, genau seit 1806, wie mir Erika später erzählt. In 1990 hat Theo die Alp übernommen, seit 2002 ist Erika ebenfalls hier. Hier auf der Alp in den Sommer-, auf dem Hof im Dorf Sörenberg in den Wintermonaten. Die beiden haben vier Kinder gross gezogen, bis auf den jüngsten sind alle ausgeflogen. In 2017/18 wurde die Privatalp neu aufgebaut, das Altholz in tagelanger Gemeinschaftsarbeit gewaschen und wieder eingebaut, wenn auch nur zur Dekoration. Und ob sich das gelohnt hat! Nicht nur im Innern ist die Alp ein Juwel, nein, auch deren Standort ist ein Traum. Gelegen auf einer Moräne des damaligen Waldemmegletschers trohnt sie hoch über dem Waldemmental, mit fantastischer Rundsicht. Da wäre ich auch gerne Älplerin!

Das Käsekessi wird heute anders verwendet.

Schlafen wie ein Murmeli

Irgendwann knurrt dann doch mein Magen. Wenn dies der Fall ist, ist es ja eigentlich jeweils bereits zu spät und schlechte Laune verbreitet sich (kennen Sie die Werbung ‘Iss ein Snickers’? Das passt bestens für mich). Item, es wäre ja schade, an diesem schönen Sommerabend schlechte Laune zu haben. Ich füürle, brätle meine Wurst und gönne mir ein spartanisches, aber köstliches ‘Resten’ Znacht. Und bald kommt er, der Moment, auf den ich mich schon lange freue: Ich plumpse aufs Bett, lausche noch kurz den Kuhglocken und… erwache morgens mit ebensolchen wieder auf. Es war herrlich!

Mein selber zusammengestellter Frühstückskorb

Ausgeschlafen, erholt und voller Tatendrang spaziere ich leichtfüssig zum Hoflädeli. Meine Wünsche zum Frühstück? Die konnte ich mir am Vorabend selber auf einem Zetteli im Hoflädeli ankreuzen, aus einer Auswahl von 13 Zutaten. Darunter beispielsweise hausgemachtes Joghurt und Brot oder hartgekochte Eier der eigenen Hühner. Cool! So steht nun also mein Frühstück à la carte bereit, schön präsentiert im Frühstückskorb. Stolz trage ich diesen zum Tisch unter dem Bergahorn. Brr, ein bisschen kühl ist es schon noch, aber diese Morgenstimmung will ich mir nicht entgehen lassen! Beim Glaubenbielenpass güggslet bereits die Sonne über die Matten. Ich geniesse mein Frühstück, vorab den Käse (ja, wenn meine Mama nicht da ist, esse ich diesen auch ohne Brot): Drei Sorten sind es, Alpkäse der Alp Schlacht (direkt unterhalb der Wittenlauenen), Sbrinz und Emmentaler der Entlebucher Spezialitäten Käserei Klusen in Schüpfheim.

Herrlicher Sonnenuntergang über dem Giswilerstock. (Foto: Erika Emmenegger)

Knackiges Gipfelwandern zum Rothorn

Nach einem kurzen ‘Einlaufen’ bis zur Alp Schlacht geht’s nun ans Eingemachte: Von drei Stunden schreiben sie hier, wohlweislich aber nicht von Höhenmetern…

So reden wir Klartext: Es sind deren 975, die mich von der Alp Schlacht für den Weg über die Nesslewäng bis aufs Brienzer Rothorn erwarten. Ein kurzes leeres Schlucken, dann biege ich rechts ab und mache mich an den Aufstieg.

Begrüsst werde ich unterwegs in einer Kurve von einem Murmeli, ganz still ist es, und haut erst nach unserem Blickkontakt ohne zu Pfeifen und völlig entspannt Richtung Bau ab. Ich nutze die Pause für einen Blick zurück: Bereits weit unter mir liegt die Alp Wittenlauenen und damit eine schöne Erinnerung und die Begegnung mit herzlichen Älplern. ‘Tschüss zäme, sehr schön wars! Und vielen Dank für eure Gastfreundschaft!’. Ich verlasse den Karrweg und zweige links ab auf einen schmalen Wanderweg.

NOVUM: Gondelbahn Sörenberg – Brienzer Rothorn

Immer wieder summt es und die neue Luftseilbahn schwebt leise vorbei, eröffnet vor drei Tagen. Ich bin fasziniert, nicht wegen der neuen Bahn, sondern von den Perspektiven, die sich mir von unten auf die Luftseilbahn ergeben. Und knipse x mal (auch, weil dies jedes Mal eine Pause ermöglicht, zugegeben). Bemerkenswert und voll nett, dass sie auf den Boden der Gondel auch ein dynamisches Biosphärenmännli geklebt haben – für all jene, die sich wie ich unterhalb der Gondel selber dynamisch auf den Gipfel schleppen…

Ziel und Herausforderung in Sicht

Nachdem ich den Grasgrat hinter mich gebracht habe, komme ich mehr und mehr ins Geröll. Immer wieder spähe ich links und rechts, ob ich Steinwild entdecke. Und tue es auch, wenn auch von sehr weit weg: Rechterhand im Tobel sehe ich mehrere Tiere am Chillen (Gegenteil von Nesslewäng-Wandern). Die Schafe hingegen, die meinen Weg kreuzen, sind aktiv am Grasen. Dank deren Glöggli haben sie sich mir bereits vor langem angekündet. Vor mir zeigt sich nun erstmals das Berghaus Rothorn Kulm, jenes der beiden Gebäude, das auf der Berner Seite liegt.  

Berghaus Rothorn Kulm

Bis ich dieses erreicht habe, wartet noch eine knackige Passage auf mich: Im letzten Hang vor dem Grat liegt noch ein grösseres Schneefeld, das den Weg bedeckt.

Ich hangle mich rechts dem Felsen entlang, sorgfältig testend, welcher Stein des Bruchhaufens auch wirklich hält. Es ist für jemanden, der nicht schwindelfrei ist, anstrengend. Ab und zu verkralle ich mich auch mit meinen Fingern im Schneefeld linkerhand, was saukalt ist! Lange brauche ich, bis ich dieses kurze Stück gemeistert habe, an einer Stelle auch mit etwas Hilfe eines jungen Deutschen. Merci!
Umso schöner ist dafür anschiessend das kalte Rivella im neuen Gipfel-Restaurant Rothorn. Und: Der schönste Moment nach dem Wandern: Das Tauschen der Wanderschuhe mit den Flipflops. Stolz und glücklich bin ich, diese zwei Berg- und Alptage erlebt und gemeistert zu haben!


Weitere Informationen & Links:

Ein Besuch auf der Alp Wittenlauenen lässt sich auch wunderbar mit einem Ausflug auf die Rossweid kombinieren. Toll für Kinder: das Mooraculum oder für den Adrenalin-Kick die Fat Trottis.


Gast-Bloggerin:

Nina arbeitet seit über zehn Jahren in der UNESCO Biosphäre Entlebuch. Sie liebt die Natur und die Bewegung und ist oft auch in der Freizeit im Gebiet unterwegs. Im Sommer zu Fuss oder auf Rädern, im Winter auf Ski – von schmal bis breit, mit oder ohne Felle. Sie liebt die Echtheit der Region und die Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort, denn so entsteht Spannendes.

Mehr Erlebnisse in der Region

Menschen aus der Region Luzern-Vierwaldstättersee. Sie berichten über ihre persönlichen Erlebnisse, plaudern aus dem Nähkästchen und verraten unbekannte Schätze aus der Region. Ob Malerin, Grafiker oder Bauarbeiter. Sie alle verbindet die Begeisterung für ihre Region.

1 Gedanke zu „Geschlafen wie ein Murmeli …

  1. LIEBI NINA,
    ES ISCH ES RIIISE VERGNÜEGE XII, DINI ERLÄBNIS Z’LÄSE, SOOO SÜFFIG
    GSCHRIBE U MIT TOLLE FÖTTELI ILLUSCHTRIERT.
    MERCI TUUSIG MAL !
    KURI LÜMIER

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