Wenn die Chilbi eine Geschmacksrichtung hätte, dann wäre es Magenbrot. Das Traditionsgebäck im rosa Beutel gehört längst zum Kulturgut jeder Kirmes (hierzulande «Chilbi» genannt). Doch was ist Magenbrot eigentlich und wo wird es produziert? Ich durfte bei der magenbrot-profi ag im luzernischen Altbüron hinter die Kulissen blicken. Nennen wir es «Laila und die Magenbrotfabrik».
Wenn sich Kinder wieder klebrige Zuckerwatte ins Gesicht drücken, ein exzentrisch leuchtender Kringel seine Runden vor magischer Bergkulisse dreht und sich der Klang von zusammenstossenden Putschautos mit den Schreien der Achterbahn-Mutprobenden vermischt – dann ist wieder Määs in Luzern und Chilbi in den Dörfern. Zum festen Bestandteil dieser Herbsttradition gehört aber nicht nur Riesenrad, Karussell und Co., sondern auch der süsse Treat in Form des beliebten Magenbrotes.
Ich konnte den Hype um das klebrige Gebäck irgendwie nie gross nachvollziehen (ganz im Gegensatz zu all meinen Freund:innen, die sich für diesen Blog euphorisch als Magenbrot-Testende an mich geworfen haben). Für meinen Gusto schmeckt Magenbrot zu sehr nach Lebkuchen und ist zu trocken und klebrig. Und als Vorsitzende des Schokoladentiger-Vereins fehlte mir die schokoladige Komponente. Diese Weltanschauung sollte sich mit dem Besuch bei der «magenbrot-profi ag» in Altbüron ändern. Doch dafür musste ich zuerst um 5 Uhr morgens nach Altbüron kommen, denn «the magic happens», wenn der frühe Vogel die (wohl noch schlafenden) Würmer fangen geht. Armer Vogel.
Der Bäckerinnen-Lifestyle
Zur gottlosen Zeit von 04.10 Uhr reisst mich mein Wecker aus den Tiefen meines federweichen Schlafes. Etwas ungläubig, dass gewisse Menschen das tagtäglich durchstehen, schleppe ich mich müde auf den Zug Richtung Sursee. Gut, wurde ich nicht Bäckerin (Backen kann ich zwar auch nicht besonders gut. Aber morgens früh aufstehen, noch weniger). Da selbst die ÖV-Verbindung nach Altbüron um diese Zeit noch am Schlafen ist, erhalte ich freundlicherweise von Hugo Meyer, Miteigentümer der traditionsreichen Bäckerei, eine Mitfahrgelegenheit.
Mit einem pinken Ballon als Erkennungszeichen und einer Tragtasche mit süssen Goodies ausgestattet, nimmt mich Hugo am Bahnhof Sursee in Empfang. Der gelernte Bäcker und Konditor fährt mit mir einen kleinen Umweg über Nebikon, wo er mir die grossen Silos der
Egli-Mühlen AG zeigen will. «Damit hat 1971 alles angefangen» erinnert sich Hugo zurück. «Ein Magenbrot-Produzent, sei ausgestiegen und die Egli-Mühlen AG pflanzte meinem Vater die Idee in den Kopf, er könne doch stattdessen mit der Magenbrot-Produktion weitermachen. Sie hätten ja das Mehl schon bereit», kichert Hugo.
Ein Vergnügungspark für Magenbrot
Eingepackt mit einem weissen Hygienemäntelchen und blauen Schuhüberzügen betrete ich die Backstube, wo mich der wohlige Duft von Schokolade und Weihnachtsgewürzen in Empfang nimmt. Die Back-Crew hat bereits die erste Tonne Magenbrotstangen verarbeitet und macht sich gerade an die zweite Charge. Nur um das Ganze im Kontext zu demonstrieren: Es ist erst 6.00 Uhr.
Magenbrot wird in zwei Arbeitstagen hergestellt, erklärt mir Céline, Hugos Tochter und stellvertretende Geschäftsführerin. In der XXL-Version meiner bescheidenen Küchenmaschine wird das Magenbrot aus nur sechs Zutaten zu einem riesigen Lebkuchenteig zusammengemischt. «Magenbrot ist ein Gebäck aus Lebkuchenteig?» frage ich verblüfft nach, während ich versuche, mir meinen Mind Blow nicht allzu sehr anmerken zu lassen. Der nächste Mind Blow folgt so gleich. Weder der Teig noch die Glasur enthalten tierische Produkte. Das macht das Magenbrot der magenbrot-profi ag von Natur aus vegan. Verrückt. Den richtigen Moment für mein Geständnis, dass ich Magenbrot eigentlich gar nicht soooo doll mag, habe ich aber immer noch nicht gefunden.
Der 130kg Teig-Koloss wird anschliessend stückweise durch eine Dressiermaschine in Stangenform gebracht, ausgebacken und über Nacht eingelagert (Auch Ich: notiert sich in ihr Notizbuch «Pressiermaschine», weil sich die Leute an dieser Station anscheinend etwas beeilen müssen).
Am zweiten Tag werden die Magenbrotstangen geschnitten, mit einer Zucker- / Kakaoglasur glasiert, auf einem riesigen Karussell ausgekühlt und dann abgepackt. Und hier befinden wir uns jetzt: Herzlich Willkommen im Vergnügungspark für Magenbrote. Alle anschnallen bitte.
Auch Magenbrot darf Spass haben
Ich sehe, wie das noch nackte Magenbrot in rautenförmige Stücke geschnitten und dann auf einem Förderband ratternd nach oben zur Glasiermaschine transportiert wird. Fehlt nur noch die elektronische Euro-Mir-Musik, um das Achterbahn-Erlebnis komplett zu machen.
In der Glasiermaschine erwartet die Magenbrote ein paar wilde Loopings, wo sie gleichmässig mit der warmen, klebrigen Glasur überzogen werden und jeden Sinn für Orientierung verlieren. Hugo hat in seinen 50 Jahren im Magenbrot-Business viele Innovationen in den Betrieb gebracht und so einige Eigenkonstruktionen gefertigt. Auf diese Maschine ist er aber besonders stolz. «Die Glasur gleichmässig an das Magenbrot zu bringen, das ist die wahre Kunst» fügt der gebürtige Altbüroner an und begutachtet mit Adleraugen, die aus der Trommel herauspurzelnden Magenbrote.
Zum Abkühlen geht’s per Förderband auf ein riesiges Karussell, das zu meinem Erstaunen in der Backstube tatsächlich so genannt wird. Und während die dunkelbraunen Leckereien ihre Runden drehen, picken sich Hugo und Céline immer mal wieder eine für das Fotofinish heraus und testen Geschmack, Konsistenz und Glasur.
Die Magenbrot-Revolution
Das abgekühlte Süssgebäck wird anschliessend in grosse Kisten abgefüllt und an Markthändler:innen aus der ganzen Schweiz geliefert. Ein Service, der von der Kundschaft sehr geschätzt wird und wohl auch zum Erfolgsrezept des Unternehmens beiträgt. Was ich nämlich auch nicht wusste: Die magenbrot-profi ag ist seit Jahrzehnten die führende Magenbrot-Lieferantin für Markthändler:innen. Deshalb kann mensch das Magenbrot des Familienunternehmens auch an Anlässen wie der Basler Herbstmesse oder der Lozärner Määs geniessen.
Rund 250 Tonnen Magenbrot und 90 Tonnen Confiserieprodukte produziert das Familienunternehmen jährlich. Magenbrot sei halt der Geschmack aus der Jugend und mit ganz vielen schönen Erinnerungen verbunden, reflektiert Hugo. Doch das war nicht immer so: «Während meiner Jugend hatte Magenbrot einen schlechten Ruf. Die Leute mochten es nicht, da es schnell austrocknete.» Also tüftelte Hugo an einer feuchteren Variante und präsentierte diese seinem Vater. Nach einer anfänglichen Umgewöhnungsphase, der Mensch mag ja bekanntlich keine Veränderung, verliebten sich die Leute in die neue Rezeptur. Der Ruf war gerettet und das Magenbrot gehört bis heute zum obligaten Snack an jeder Chilbi auf. Liebe geht also doch durch den Magen.
Bei der Abpackstation beobachten wir, wie Célines Schwester die halben und zusammenklebenden Magenbrote aussortiert. Nebst den vier Meyer-Schwestern, arbeiten auch Cousinen, Onkel, Tanten sowie Gottis und Angeheiratete im Unternehmen. Ein richtiger Familienbetrieb halt, denke ich mir, als mir just Geschäftsführerin und Célines Mutter Rita aus dem Lager zuwinkt. «Nach ein paar Tagen im gekühlten Lager schmeckt das Magenbrot sogar noch besser», erläutern mir die Meyers augenzwinkernd. So konnte sich die Glasur nämlich schön in das ruhende Magenbrot einarbeiten. Ich finde: Macht Sinn und probiere ein Magenbrot, dass noch immer seine Runden auf dem Karussell geniesst. «Mmmmh, das ist ja richtig lecker! Und viel luftiger, als ich das in Erinnerung hatte?!», schiesst es mir durch den Kopf als das klebrige Gebäck meine Geschmacksknospen bezirzt. Ist das der Moment der Bekehrung?
Noch mehr Chilbi-Klassiker
Nebst leckerem Magenbrot ist das Unternehmen aus dem Willisauer Hinterland auch für weitere Chilbi-Klassiker, wie Rahmtäfeli, Biber, Birewegge, Lebkuchen-Herze und gebrannten Mandeln bekannt. Und diese gehen wir uns als Nächstes anschauen.
Ich trete durch die Türe in einen kleinen, weissen Raum und werde von einem Schwall heisser Luft empfangen. Sechs grosse Kupferkessel rotieren im Takt des Ventilators um ihre eigene Achse. Immer wieder zischt und dampft es. Ein Blick auf die Temperaturanzeige verrät mir 33°C und 80% Luftfeuchtigkeit. «Erst ab 40°C wird es hier drin so richtig kuschelig» meint Mandelbrenner Stefan schmunzelnd, während er sich den Schweiss von der Stirn wischt.
Die Prozesse sind genau getaktet und Stefan richtig im Flow (ausser, wenn gerade drei Laien ihm im Weg stehen). Wir beobachten Stefan, wie er Mandeln mit Zucker vermischt, in zwei Kupferkessel wirft und im Minutentakt eine Mischung aus Wasser und Kakaopulver darüber schüttet, bis die Mandeln die Glasur schön angenommen haben.
Auch bei der Rahmtäfeli-Produktion darf ich noch einen Blick reinwerfen. Um aus den 40 x 50 cm grossen Rahmtäfeli-Tafeln mundgerechte Stücke zu zaubern, schaltet Céline die 3000 bar Wasserstrahlschneidmaschine an (die anscheinend auch Finger abschneiden kann…). Zu meiner grossen Überraschung lasert die Maschine heute aber keine normalen Quadrätli heraus, sondern graviert in die Karamell-braune Platte meinen Namen und sogar meinen Instagram-Kanal. Was für ein schönes Andenken an diesen Tag! Manchmal denke ich schon, ich habe echt den allercoolsten Job der Welt.
Zum Abschluss rücke ich dann doch noch mit der kompletten Wahrheit raus. Magenbrot gehörte bis zum heutigen Tag nicht zu meinen Favoriten, aber die feuchte Variante der magenbrot-profi ag hat mich echt überzeugt. Meine Liebe für dunkle Schokolade kann das Gebäck aber trotzdem nicht überbieten. «Wir haben neu auch Schoggi-Magenbrot im Angebot. Also Magenbrot, dass mit feinster Felchlin-Schokolade überzogen ist», schmiert mir Céline Honig, äh Schokolade, ums Maul und gibt mir noch ein Tütchen Schoggi-Magenbrot mit auf den Weg. Damit ist es um mich geschehen.
Mit zwei grossen Tragtaschen voller Chilbi-Leckereien und einem leichten Zuckerkoma verlasse ich Altbüron. Auch wenn das Magenbrot bis zu drei Wochen haltbar ist, weiss ich jetzt schon, dass das Lebkuchen-Gebäck (vor allem das Schoggi-Magenbrot) keine drei Tage bei mir zu Hause überleben wird.
Noch mehr für den Magen:
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Weitere Informationen & Links:
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