Unterwegs zu den Köhlern – Ohne Sack und Pack

Kategorien Biosphäre Entlebuch, Kultur, Menschen, Natur, Regionen, Wandern

Verspürst auch du Lust auf Bewegung, Aufbrechen und Freiheit? Um einen Frühjahrsputz, wie es Mode ist, geht es hier jedoch nicht, oder höchstens um dessen positiven Nebeneffekte. Nein, beim neuen viertägigen Wander-Pauschalangebot der Biosphäre Entlebuch, Auf dem Köhlerweg, geht‘s ums Geniessen von Natur und Kultur im wilden Napfgebiet. Das wollte ich, gab mein grosses Gepäck ab, sattelte den Tagesrucksack und machte mich auf. Auf, auf die Spuren der Köhler!

Die fürs Napfgebiet typischen Hügel und Chrächen lassen eine strenge Wanderung vermuten, ab er dem ist nicht so. Klar, eine paar Höhenmeter sind es, aber die Tagesetappen sind mit zwischen 2.5 und 3 Stunden kurz. Für einmal kein Gestresste, sondern Zeit haben zum Staunen und Eintauchen ins ursprüngliche Napfgebiet. Doch erst mal von vorne: In Wolhusen nehmen wir das Postauto nach Romoos und gönnen uns im denkmalgeschützten, über hundertjährigen Hotel Kreuz erstmal einen Kaffee. Wo wir denn hinwollten, erkundigte sich Martin, der Chef. Wir sind überfragt, geniessen wir doch, dass alles für uns organisiert ist – und zücken unseren Wanderbeschrieb. «Auf die Schwesteregg? Ou, verreckte Cheib, das geit de grad no e chli ue! U vor auem zerschtemau i z Loch abe, i Goudbachgrabe!» Unser Ziel für heute liegt also nach Martin noch mindestens ein Tal weiter.

Auf den Spuren der Köhler

Wegweiser mit Signalisierung des Köhlerwegs.

Vor dem Mittag starten wir, den Wegweisern mit dem grünen Kleber 530 Köhlerweg Romoos folgend. Der Köhlerweg zwischen Romoos und Bramboden präsentiert Interessierten auf sieben Tafeln die Köhlerei, die Goldsuche und die Fauna des Napfberglandes. Beim Haus des Schwändi-Gondelbähnli machen wir einen ersten Halt. Früher verkürzte dieses Schulkindern und Gästen den Weg über den Goldbachgraben. Früher. Heute sind wir zum Glück nicht für Abkürzungen unterwegs. Entlang von Wiesen, Nagelfluhflanken und Wasserfällen führt uns der Weg ins Tobel. Hier eröffnet sich uns das Kleinod Goldbach (ja, er führt Gold, wie viele Bäche um den Napf).

Heute sind wir aber wegen des «Schwarzen Goldes», wie die Holzkohle auch genannt wird, unterwegs. Unterhalb einer überhängenden Nagelfluhwand stossen wir auf ein Relikt aus früheren Zeiten, auf ein Köhlerhüttli. Dieses diente bis 1946 einem Köhler zum Überwachen des brennenden Kohlemeilers. Uns wird erstmals bewusst, wie hart das Köhlerleben damals gewesen sein musste, konnte doch der arme Kerl im Unterschlupf nicht mal aufrecht stehen.

Imposante «Nagelfluhkunst» im Goldbachgraben.
Wandern in ursprünglicher Natur: Köhlerweg Richtung Under Länggrat, links eine der sieben Infotafeln.

Erholung im «Wellnessresort» Schwesteregg

Wir ziehen weiter, zügig aufwärts bis zum heutigen höchsten Punkt, dem Oberlänggrat. Wir bestaunen im Vordergrund die Napflandschaft mit zig Tälern, weiter hinten die Pilatuskette und die Entlebucher Voralpengipfel und ganz zuhinterst die Berner Alpen. Es ist eine fantastische Aussicht, die wir geniessen. Meine Begleitung «geniesst» etwas intensiver: Sie öffnet die Peakfinder App – als ob ich nicht merken würde, dass sie noch länger pausieren muss…!

Ein Örtli zum Verweilen; vor der Schwesteregg – mit atemberaubender Aussicht in die Entlebucher Voralpen. (Foto: Samuel Büttler)

Kurz darauf lassen wir im Rose-Beizli unseren ersten Wandertag bei Bärti und seiner Familie ausklingen. Aufgeregt beziehen wir unser «Heimetli», ein Holz-Pod an schönster Aussichtslage, und belohnen uns mit einem kühlen Bierchen. Meine Begleitung mit einem zweiten, eventuell dritten. Ich weiss es nicht, denn ich husche ins hofeigene Wellnesscenter mit Whirlpool und Sauna. Herrlich!

Unser erstes «Heimetli» – die gemütlichen Holz-Pods auf der Schwesteregg. (Foto: Samuel Büttler)

Unser erster Köhlermeiler

Am nächsten Morgen ziehen wir weiter und treffen auf Florian, einen Landwirten und Köhler, wohnhaft auf der Finsteregg. Von «finster» bemerken wir wenig. Sind eigentlich alle Napfberglandbewohner so aufgeschlossen? Er zeigt uns den Weg zum Meiler unterhalb des Hauses. Warum denn hier Holzköhlerei, wollen wir von ihm wissen. «Lueg emau, wie gottvergässe das hie z Bort abgeit! Da hesch früener nid miteme Traktor chönne zuefahre und Houz wägschleipfe, sondern hesches müesse a Ort u Stöu verarbeite!» Stimmt, zumindest die Steilheit haben wir ja schon erlebt. So sei in der Gemeinde Romoos über die Hälfte der Fläche Wald, und von diesem fast 80% in Privatbesitz.

Früher seien es im Napf mal zweihundert Köhler gewesen, welche für die Hufschmiede, das Eisengiessen und die Glashütten Holzkohle produzierten, heute seien es noch deren elf, die das traditionelle Brauchtum – von der UNESCO als immaterielles Kulturgut ausgezeichnet – aktiv als Nebenerwerb betreiben. «Lueg, da under dr Flue im Drachslis isch dr Markus, u dert äne vis-à-vis dä wo dr de aaträffit, dr Renggli Willy.»

Schiefertafel auf der Finsteregg mit dem Stand abgefüllter Kohlesäcke.

Willy, der Köhler, der die Gäste empfängt

Der Landwirt und Köhler bei der Herstellung von Holzkohle im Kohlemeiler auf der Pilgeregg im Entlebuch. Fotografien anlässlich der Dreharbeiten zum Dokumentarfilm «Köhlernächte» von Robert Müller.

Wir treffen im Under Bramboden ein. Unter «Erlebnis Holzköhlerei» bietet Willy Köhlereiführungen und Holzolympiaden für Gruppen an. Auf dem Kohlplatz erzählt er uns von seinem Handwerk – es ist eine Wohltat, seinem ruhigen Entlebucherdialekt zuzuhören. Das Glück, das wir haben, konnten wir schon von der Finsteregg aus erahnen: Sein Meiler brennt gerade! Ein beeindruckendes Erlebnis, das wir so noch nie haben erfahren dürfen. Er erwähnt, wie hart das Köhlerleben ist, wie sie beim Meiler in kleinen Hüttli die Nächte verbringen, alle zwei Stunden zum Rechten sehen mit Luftlöcher stechen oder Brennmaterial nachlegen. Schliesslich soll das Ganze schwelen, aber nicht glühen oder brennen, sonst wäre der Aufwand «für d’Füchs», so Willy. Je nach Meilergrösse ergäben sich 600 bis 800 Säcke, über alle Köhler insgesamt hundert Tonnen Holzkohle, welche der Warenhändler Ottos in Exklusivrecht verkauft – eine Geste, mit welcher Ottos das traditionelle Handwerk unterstützt.

Beim Meiler Hängeleflue: Schild des Verkaufs von Holzkohle über den Detailhändler Ottos.
Praktisch am Ende: Zuschnüren und Vorbereiten der Kohlesäcke für den Verkauf. (Foto: Simon Meyer)

Wir haben Kohldampf!

Die wunderschön gelegene Alp Erixsmoos von «s‘ Brune». (Foto: kleineweltwunder.ch)

Wir trotteln Richtung Bramboden, Dorfteil der Gemeinde Romoos, wenn auch komplett auf der anderen Seite, abgetrennt durch Täler und Schluchten. Unweit des Dorfes (zum Glück, wir haben Kohldampf!) befindet sich die Alp Erixmoos «von s Brune», wie die Entlebucher sagen. Gott sei Dank müssen wir uns hier nicht sorgen, dass wir zu wenig bekämen. Wir schlemmen und plaudern, als würden wir uns schon lange kennen und fallen glücklich ins Kajütenbett.

Im Käsekeller auf der Alp Erixmoos. (Foto: kleineweltwunder.ch)

Einblick in den Käsekeller

Auch die zweite Nacht war erholsam, kein Lärm, höchstens ein paar zirpende Grillen. Nach einem fürstlichen Frühstück dürfen wir in die Alpkäserei gucken und etwas aus dem Käsekeller stibitzen. Gestärkt machen wir uns auf Richtung Napf, nicht mehr auf dem Köhlerweg (der endet in Bramboden), aber immerzu auf den Spuren der Köhler. Vor uns liegen weitere zwei Meiler. Wir staunen über die professionelle Überdachung jenes der Hofarni: Ein Meiler mit eigenem Häuschen, nicht schlecht! Auch dieser Meiler ist gerade im Aufbau. Der Weg führt uns weiter über aussichtsreiche Pfade auf Napfausläufern. Es ist Freiheit pur, hier wandern zu dürfen! Im Berghotel Napf bleiben wir, wenigstens für eine Nacht.

Löschi, auf dem Weg zum Meiler, verwendet als «Deckmantel» dessen. (Foto: Simon Meyer)
Oberhalb des Meilers Hofarni: Ist das noch bereit für den Meiler?
Beim Meiler Hängeleflue: Auf der «Löschi», dem immer weder verwendeten Gemisch aus Kohlestaub und Kohlegriess, wachsen knallgelbe Zytröseli (Huflattich), eine Augenweide!
Beim Meiler Hofarni: Sorgfältig vorbereitete Rundholz-Bündel.
Ein chices Häuschen mit Rauchabzug für den Hofarni-Meiler.
Oberhalb von Hofarni, Sicht Richtung Napf, in der Mitte des Bildes der imposante Egelshorn-Hügelzug.

Zurück zum Start

Wir haben ausgeschlafen und schnüren zum letzten Mal die Wanderschuhe. «Ich glaube, ich verkaufe meinen Gasgrill», meint meine Begleitung aus dem Nichts. Nach einer Begründung muss ich nicht fragen – Die Geschichte der Köhler hat uns beide tief berührt. Zurück im Kreuz gönnen wir uns ein frühes Znacht, eine «Chöhlerrösti», versteht sich.

Pauschalangebot «Auf dem Köhlerweg» – Tipps & Infos

Die viertägige Wanderung «Auf dem Köhlerweg» verläuft auf der lokalen SchweizMobil-Route 530 und auf ausgeschilderten Wanderwegen. Die vier kurzen Tagesetappen zwischen 7 und 10 km (2.5 bis 3 Stunden) führen durch die wilde und ursprüngliche Napflandschaft. Unterwegs im Gelände sind bei verschiedenen Phänomenen wie Köhlerei, Goldsuche und Fauna insgesamt sieben Tafeln gesetzt, die Informationen bieten. Bei der Route kommt man bei vier Meilern vorbei, bei einem erhalten Wandernde Informationen aus erster Hand von einem Köhler. Informationen über das Handwerk der Köhlerei bietet die Website des Köhlerverbandes Romoos. Das Pauschalangebot beinhaltet 3 Übernachtungen auf Bauernhöfen und in Hotels mit HP und Kurtaxen (je nach Wunsch resp. Verfügbarkeit: Holz-Pod, Kajüttenbett oder Schlaf im Stroh, Doppelzimmer), 3 Lunchpakete, Gepäcktransport und detaillierte Routenbeschriebe. Das Arrangement kostet CHF 495.00 pro Person (ohne Gepäcktransport CHF 445.00 pro Person) und ist zwischen Mai und Oktober buchbar, jeweils beginnend am Sonntag, Montag oder Mittwoch. Informationen und Buchung.


Weitere Tipps & Infos

  • Nicht nur für Kinder spannend: der Natur-Spielpark Zyberliland Romoos
  • Mit der Gruppe unterwegs? Entdecken Sie unser fixfertiges Arrangement «Beim Köhler»
  • Kennen Sie die Zyberli-Produkte aus Romoos? Konfis, Tee, Sirup, Würste oder auch Pickantes sind ideal als kleines Mitbringsel für die Daheimgebliebenden.
  • Wer die Köhlerei materiell und ideell unterstützen möchte, kann dies im 2018 neu gegründeten Förderverein Köhlerei Romoos tun.

Mehr Erlebnisse in der UNESCO Biosphäre Entlebuch

Nina arbeitet seit über zehn Jahren in der UNESCO Biosphäre Entlebuch. Sie liebt die Natur und die Bewegung und ist oft auch in der Freizeit im Gebiet unterwegs. Im Sommer zu Fuss oder auf Rädern, im Winter auf Ski – von schmal bis breit, mit oder ohne Felle. Sie liebt die Echtheit der Region und die Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort, denn so entsteht Spannendes.

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