Heute ziehen wir unsere Trekking-Schuhe zum Baden an. Warum? Weil wir zur Abwechslung mal nicht in den Vierwaldstättersee, sondern in die UNESCO Biosphäre Entlebuch abtauchen. Und das im Wald. «Bergwaldbaden» knüpft an das japanische Gesundheitskonzept «Shinrin-Yoku» an und hilft Menschen zu entschleunigen und entspannen. Genau das, was ich und mein voller Terminkalender jetzt brauchen.

Auch im Wald lässt es sich ein erfrischendes Bad nehmen.

Die Szenerie: ein weisser Mini Cooper bahnt sich den kurvigen Weg hoch ins Hilferental. Die Protagonistinnen: zwei gestresste Stadtkinder, mit vollem Terminkalender, zero Zeit und auf der Suche nach etwas Entschleunigung in der freien Natur. Bergwaldbaden hört sich für uns noch etwas esoterisch an, aber wir sind ja grundsätzlich offen für alles. Wir sagen uns im Auto noch: keine Ahnung, wenn wir das letzte Mal richtig durchgeatmet haben. Mehr als oberflächliche Brustatmung kriegen wir im Moment nicht hin. So klischeehaft wie das alles nun klingen mag – diese Geschehnisse haben sich tatsächlich so zugetragen.

Der Bio Hof Stächelmoos liegt auf der Nordseite der Schrattenfluh.
Das Wetter ist dementsprechend etwas rauer und wilder.

Baden am Fuss der Schratten

Wir treffen Susanne auf ihrem Bio-Bauernhof im Stächelmoos. (Wir das sind Aline, meine beste Freundin und das sonnigste Gemüt das ich kenne und moi). Das Stächelmoos liegt auf 1200m.ü. M., am Fuss der mächtigen Schrattenfluh. Seit 2019 praktiziert Susanne Waldbaden nach japanischem Vorbild, angepasst an die lokalen Bergwälder der UNESCO Biosphäre Entlebuch. «Shinrin-Yoku», wie die Achtsamkeitspraxis in Japan genannt wird, hat nachweislich eine Palette an positiven Effekten auf die Gesundheit. So wird nicht nur der Blutdruck gesenkt, die von den Bäumen ausgeschütteten Terpene aktivieren auch die körpereigenen Killerzellen und reduzieren so präventiv das Krebsrisiko. Na dann los.

Die erste Übung, die Susanne anleitet, ist aufmerksames Schlendern. Einen Schritt nach dem anderen setzen, ganz langsam und bewusst. Gar nicht so einfach für meine kurzen Beine, die im Alltag immer relativ zügig unterwegs sind (oder kräftig in die Pedale treten, wie auf der E-Bike-Tour «Savurando»). Auf einer Lichtung öffnen wir unser Herz bei einer erdenden Qi Gong Übung und pusten bei einer Atemübung Schadstoffe aus unserer Lunge heraus, bevor wir von Susanne einen kleinen Spiegel in die Hand gedrückt bekommen. Damit machen wir uns auf die Suche nach ungewohnten Perspektiven, schauen uns lustige Pilze von unten an und realisieren, dass das Spiegelbild von Moos, wie ein märchenhafter Mini-Wald aussieht.

Wald für alle Sinne

Unsere zweistündige Tour mit Susanne ist mit verschiedenen Achtsamkeits- und Entschleunigungs-Übungen gespickt. Wir entspannen unsere Augen beim Palmieren, vergraben unsere Hände im weichen Moos des Waldbodens, schärfen unseren Tastsinn bei einer Partnerübung und lauschen, wie die Bäume das Wasser aus dem Boden ziehen. Bei einer Pause kosten wir einen aromatischen Kräutertee, gebraut aus den Schätzen, welche der heimische Wald bereithält.

Während ich mit den Fingern über die raue Baumrinde fahre, am zitronig riechenden Harz der Fichte schnuppere, Aline euphorisch Bäume umarmt und auf Weisstannen-Nadeln herumkaut, merke ich, wie eine Welle der Entspannung mein Nervensystem durchspült. Das Sonnenlicht glitzert zart durch die Baumkronen und wärmt meine geschlossenen Augenlider. Eine kühle Frühlingsbrise weht mir um die Nase und entlockt dem Wald ein wildes Rascheln. Susanne ermunternd uns, die verschiedenen Sensationen wahrzunehmen, während wir uns unter einen Baum setzen und entspannt mit dem Rücken an den Stamm anlehnen.

Auch Susannes Mann Patrick hat uns beim Bergwaldbaden begleitet.

Frau Bosco im Bosco

Und dann spüre ich es – die ruhige und irgendwie auch tröstende Kraft, die mein Baum auf mich ausübt. Kein Wunder hat Waldbaden eine derart beruhigende Wirkung auf mich – Wald ist ja bekanntlich mein Nachname (Also wirklich jetzt – «Bosco» bedeutet ja Wald auf Italienisch). Waldbaden ist für mich also auch die Rückkehr zu meinen Wurzeln – deep, I know.

Auf dem Heimweg plaudern wir mit Susanne über ihre Ausbildung an der Deutschen Akademie für Waldbaden. «Ich habe in einer Zeitschrift über die heilende Praxis des Waldbadens gelesen und war sofort angetan von der Idee», erzählt Susanne von ihrer ersten Begegnung mit der Praxis. Das Repertoire an Übungen sei unendlich, der Fantasie keine Grenzen gesetzt. So stellt sie für jede Gruppe jeweils ein individuelles Programm zusammen und fordert sich damit auch als Kursleiterin ständig aufs Neue heraus. Besonders spannend sei es jeweils, wenn sie eine Lektion mit Paaren durchführe. «Da komme ich mir manchmal wie eine Paartherapeutin vor», lacht Susanne und wir lachen laut mit.

Susanne hat 2019 die Ausbildung zur Kursleiterin Waldbaden absolviert…
…und die Praxis an die schönen Bergwälder der UNESCO Biosphäre Entlebuch adaptiert.

Mit Leichtigkeit nach Hause

Und wie geht es uns nun nach diesem Erlebnis? Während mir vom ganzen Sauerstoff im Hirn etwas schwummrig ist vor Augen, entschlüpft Aline vor lauter Entspannung ein Gähnen nach dem anderen. Wir können also mit gutem Gewissen sagen, dass uns das Bergwaldbaden im Stächelmoos entschleunigt hat. Ausserdem werden wir auch versuchen, die eine oder andere Atemübung in unseren Alltag zu integrieren.

Hoffen wir, dass wir uns auf dem Heimweg vor lauter Entspannung nicht so arg verfahren, wie wir es bereits auf dem Hinweg getan haben. Und sonst wissen wir ja jetzt, wie mit der Situation umgehen: Unter einen Baum sitzen und mal entspannt durchatmen.

Aline hatte sichtlich Spass am Bergwaldbaden.

Infos & Tipps


Egal ob im Tanzstudio oder an der Bushaltestelle, Laila ist immer tanzend anzutreffen. Mit einem Lachen im Gesicht und einer Fotokamera in der Hand sucht die gebürtige Luzernerin überall nach Geschichten und Menschen die sie inspirieren. Oder einfach nach weiteren Orten um tanzen zu können. Mehr von Laila auf www.laila-schreibt.com

1 Gedanke zu „Kopfüber ins Grüne

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