Zu zweit allein im Jurtendorf 

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Der Frühling ruft. Und wir folgen ihm in die Region Willisau. Ausgerüstet mit einem Päckli Taschentücher gegen den Heuschnupfen und einem Kopf voller Deadlines besuchen wir den schönen Wallfahrtsort Luthern Bad am Fusse des Napfs, erfrischen uns im Badbrünnli mit heilendem Wasser und geniessen die Einfachheit der Natur im Jurtendorf 

Den Kopf frei bekommen. Das hatten meine Freundin Aline und ich bitter nötig. Workaholic eins scheffelt rund 15 Überstunden pro Woche, Workaholic zwei versucht ihr Teilzeit-Business mit ihrem 80- Prozent-Arbeitspensum zu jonglieren. Und so seufzt mir Aline zu, während sich der Bus immer tiefer ins Luthern-Tal schlängelt: «Können wir dann im Jurtendorf einfach nichts machen? Einfach mal sein?” Ich nicke ihr bejahend zu und zücke schon das nächste Taschentuch. Würden sich die Pollen doch auch mal eine Pause gönnen.  

Als wir bei der Endstation «Luthern Bad, Dreilindenplatz» auf den grosszügigen Platz hinaustreten, werden wir gleich von einer grünen Wand an prächtigen Bäumen, saftigen Hängen und blühenden Wiesen mit bunten Blumen begrüsst. Und von Isidor Lustenberger, ehemaliger Posthalter von Luthern Bad und engagierter Tourguide, der es sich nicht nehmen lässt, uns seine Heimat zu zeigen (if you know, you know). 

Eine Augenweide: Badbrünnli  

Wasser mit allen Sinnen erleben 

Der erste Programmpunkt liegt auf der Hand: Badbrünnli. Luthern Bad ist wohl der meistbesuchte Wallfahrtsort in Luzern und uns wird auch schnell klar warum. Der Platz vor der heilenden Quelle besitzt eine ganz besondere Anziehungskraft. Wir fühlen uns sofort geerdet und schon etwas entspannter zwischen den Gehirnzellen. Mit Blick auf die sanft geschwungenen Hügel des Waldes tankt mensch hier Kraft und Energie. Gleich daneben befindet sich das unterirdische Arm- und Fussbad, das 2018 aus Spendengeldern erbaut wurde und täglich kostenlos zugänglich ist. Isidor ergänzt: «Egal, welcher Religion du angehörst oder an was du glaubst; dieser Ort ist für alle.»  

Im Arm- und Fussbad treffen die vier Elemente aufeinander: Plätscherndes Quellwasser im Inneren, der Blick auf die grünen Baumkronen, der Wind, der von oben durch den Raum weht und die Sonne, die ihre wärmenden Strahlen an die Wände wirft. 

Der erste Frühlingstag lässt uns bereits Schweisstropfen das Gesicht runterlaufen und wir betreten dankbar den kühlen, schummrigen Raum. Nur das fröhliche Glucksen und Plätschern des Wassers (und manchmal eine Anekdote von Isidor) hallt mystisch durch das Bad. Ansonsten Stille. Wir ziehen uns in eine der vier Wandnischen zurück, entledigen uns der Trekkingschuhe, waschen kurz die Füsse mit einem Schlauch ab und betreten dann das Fussbad. Das sechs Grad kalte Wasser sticht uns sofort wie kleine, fiese Eiszapfen in die Waden und wir kämpfen uns wie frisch geschlüpfte Flamingo-Babies zurück zum Ausgang. Dagegen ist das Armbad gleich ein Zuckerschlecken. Jetzt schnell an die Sonne. Wir erinnern uns an Isidors Worte «Ja nicht abtrocknen, wie soll das Wasser sonst wirken?».   

Ganz egal, ob mensch nun daran glaubt oder nicht, Spiritualität belächelt oder beim Trinken des Wassers keinen Unterschied zum Hahnenwasser bei sich zuhause in der Altbau-Wohnung schmeckt: Dieser Ort versprüht eine entspannte und gänsehauttriggernde Atmosphäre. Da kommt die Bauchatmung ganz von allein. 

Ohne Netz und mit viel Zeit 

Mit einem Prickeln auf der Haut und gefüllten Wasserflaschen verlassen wir den Pilgerort. Unweit von Badbrünnli führt der Weg steil den Hügel hinauf. Auf einem Schild steht mit Regenbogenfarben bereits «Jurtendorf» geschrieben. Laila-die-orientierungslose-Seegurke bleibt für diesen Ausflug also mal zuhause.  

Nach rund zehn Minuten stechen uns bereits die weissen Zipfel des Jurtendorfes ins Auge. Rund 25 Jurten stehen hier eingebettet zwischen Wäldern und Wiesen, ein Bach plätschert unbesorgt am Fusse des Hangs durch die idyllische Landschaft. Überall sprudelt Wasser genüsslich in Badewannen, Schafe spielen flauschige Rasenmäher, Katzen streifen neugierig durch das knöchelhohe Gras, ein Reh hüpft frohlockend in der Ferne über eine Lichtung und die Natur spriesst in ihren schönsten Grüntönen.  

Das Jurtendorf ist ein Ort, um sich selbst und anderen Menschen zu begegnen. Ein Rahmenprogramm gibt es nicht. Alles kann, nichts muss. Es ist eine Oase der Einfachheit, die einen sanft zurück zur Natur und den wirklich wichtigen Dingen im Leben führt. Auch das Jurtendorf ist ein Ort für alle, erzählt uns Mona, die mit ihren Kolleginnen und Kollegen gerade das Abendessen für das ganze Dorf vorbereitet. Irgendwie verfolgt uns dieser Satz hier in Luthern Bad. Muss wohl was Wahres dran sein. 

Ein weiteres Merkmal des Jurtendorfes: Das Team begrüsst einen immer mit einem herzerwärmenden Lächeln. 

Auch wir merken, Ruhe aushalten ist gar nicht so einfach wie gedacht. Der Blick aufs Handy schockiert mich dann mehr als angenommen – kein Netz. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mich vorher kurz abgemeldet. Ich merke, wie der Stress bereits hochkommt, akzeptiere den aufgezwungenen «Digital Detox» nach ein paar Runden Handy-in-die-Höhe-strecken dann aber auch. (Lustigerweise hatten die besagten Personen, die auf eine Antwort von mir gewartet hatten, bereits damit gerechnet, dass ich in einem Funkloch sein werde). Die Welt geht also nicht unter, wenn mensch kurz 24h nicht erreichbar ist. Versprochen. 

Aus der Natur, zurück in die Natur 

Ein besonderes Highlight dieses Ausfluges ist unsere private Jurte. Wir bekommen die «Panorama-Jurte» zugeteilt und sind sogleich schockverliebt. Drinnen richtig geräumig, mit einem grossen Guckloch in der Decke, um den Sternenhimmel zu beobachten und einer Terrasse mit Wahnsinns Aussicht auf das kleine Tal und den Wald. Unser Sitzplatz scheint über den grünen Wiesen zu schweben und wir nehmen gleich auf den süssen Holzstühlen Platz. Und so sind wir nun zu zweit alleine, knabbern an unseren Crackern, spüren dem heilenden Wasser aus der Quelle nach, philosophieren über das Leben und realisieren, dass wir diese Woche unser zehnjähriges Freundschafts-Jubiläum feiern.  

Bevor uns das Horn zum Abendessen ruft, erkunden wir das Dorf auf eigene Faust. Wir gucken uns die Saunajurte an, den grossen Platz mit dem Lagerfeuer, lassen in einem mit pflanzenbewachsenem Pavillon die Seele baumeln und inspizieren den saftigen Gemüsegarten. Das Jurtendorf ist selbstversorgend, alle leckeren Speisen werden frisch zubereitet und stammen aus dem hauseigenen Anbau. Die Toiletten funktionieren nach dem Kompost-Prinzip und das Abwasser wird in der selbstgebauten Pflanzenkläranlage gereinigt. Alles was also aus der Natur stammt, wird der Natur wieder zurückgeführt.  

Das Horn erwischt uns zwischen Fenchel und Randen und wir besammeln uns hungrig in der «Mamma», der grossen Gemeinschaftsjurte zum Essenfassen. Als Hauptgang gibt es Kartoffeln mit Dörrbohnen, abgerundet mit einem Rhabarbermousse zum Dessert, welches extra auch als vegane Variante zubereitet wurde. Nachdem wir unser Geschirr abgewaschen haben, geht’s dann auch schon zeitnah ins Bett. Damit wir es in der Nacht auch wirklich kuschlig warm haben, feuert Aline als ehemalige Pfadfinderin noch kompetent den Ofen ein und wir schlafen behutsam um 21:30 Uhr ein. 

Vor der «Mamma» hockt es sich bequem in der Sonne.

Von pfeifenden (und schnarchenden) Vögeln 

Der nächste Morgen. Es ist immer noch Ende Mai und dementsprechend frisch auf 1000 m ü. M. Zum Glück umgeben uns zwei dicke Decken, sodass ich Aline nicht zum Feuermachen aus dem Bett zerren muss. Ein Hahn gibt’s nicht, dafür zwitschern Vögel mit vollem Lungenvolumen dem Sonnenaufgang entgegen. Ich weiss nicht, ob es die kleinen Piepmatze waren, die mich um 5.00 Uhr in der Früh aus den Federn gerissen haben oder Alines wälderfällendes Schnarchen. Ich überlasse euch die Entscheidung.  

In der Nacht kann es relativ kühl werden in der Jurte. Holz und Anzündhilfen liegen bereit zum Feuer machen. 

Zum Frühstück fassen wir frisches Brot, Linsenmus und Porridge und setzen uns damit an die Sonne. Wir kommen ins Gespräch mit einem Paar aus Willisau, während sich die grosse Gruppe für ihren Tanzworkshop in der Seminarjurte zurückgezogen hat. Einmal mehr ein schönes Beispiel, dass das Jurtendorf für alle da ist.  

Am Mittag heisst es Zeit Abschied zu nehmen. Viel zu früh verlassen wir diesen idyllischen Rückszugsort wieder. Gerne wären wir noch ein paar Tage länger geblieben, um die Kunst des Nichtsmachen weiter zu perfektionieren und uns weiter der Natur hinzugeben. Vor unserer Abreise suchen wir aber noch die Schwitzhütte im benachbarten Wald auf, taumeln etwas über das fast ausgetrocknete Bachbett und danken dem Frühling für diesen wunderschönen sonnigen Tag. 

Wir besiegeln das Ende unseres Ausfluges, wie wir ihn angefangen haben. Auf dem Bänkli vor dem Arm- und Fussbad, mit prickelndem Frischegefühl auf der Haut, Pollen in der Nase, Sonne im Gesicht und einer guten Freundin an der Seite.  


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Egal ob im Tanzstudio oder an der Bushaltestelle, Laila ist immer tanzend anzutreffen. Mit einem Lachen im Gesicht und einer Fotokamera in der Hand sucht die gebürtige Luzernerin überall nach Geschichten und Menschen die sie inspirieren. Oder einfach nach weiteren Orten um tanzen zu können. Mehr von Laila auf www.laila-schreibt.com

1 Gedanke zu „Zu zweit allein im Jurtendorf 

  1. Übers Alpenland ein Gedicht
    aus deutscher Sicht:😉

    WILHELM TELLS ERBEN ⚔️
    VOM RÜTLISCHWUR 🇨🇭
    ZUR HOCHKULTUR

    Wo einst Tell den Apfel geschossen,
    dort leben sie, die Eidgenossen.
    Mächtige Berge und herrliche Seen,
    die Städte und Dörfer wunderschön;
    ein Land, wo Milch und Honig fließen,
    und sie feinste Schokoladen gießen.

    Von Basel und Genf bis hin nach Bern,
    Sauberkeit der schweizer Markenkern.
    Nicht nur Käse und im Winter Schnee,
    von hier kommt so manch gute Idee.
    Schmucke Uhren und Taschenmesser,
    nirgendwo macht man diese besser.

    Wir kennen Heidi und DJ Bobo,
    die Leute von Seldwyla ebenso.
    Das Land der Banken und Finanzen
    blickt voller Stolz auf die Bilanzen.
    Man hält sich gerne aus allem raus,
    Neutralität bringt nicht nur Applaus.

    St. Moritz – Zermatt – Glacier Express,
    die Schweiz erleben ganz ohne Stress.
    Jungfrau, Eiger, Mönch und Matterhorn,
    das Oberland liegt bei Touristen vorn.
    Wir Deutschen lieben das Alpenland.
    Tschüss, auf wiederluege miteinand!

    Rainer Kirmse , Altenburg

    Herzliche Grüße aus Thüringen

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