Ein Ausflug ohne Gepäck und Anfahrtsweg

Kategorien Kultur, Menschen, Obwalden, Tradition

Die Schriftstellerin Elisabeth Zurgilgen bietet hier ein etwas anderes Erlebnis. Sie stellt ihre Immertag-Geschichten vor, die man als Podcast hören kann. Es sind Geschichten im Obwaldner Dialekt. Sie erzählen zwar nicht direkt von Obwalden, haben aber viel mit ihrem Heimatkanton zu tun.

Julias Hütte liegt hoch oben in den Bergen. Vor wenigen Wochen noch knisterte und knackte in der Hütte ein Feuer, und Julia war hier, um mit Freunden Silvester zu feiern. Jetzt sind die Fenster dunkel, und die nahen Berge spiegeln sich in ihnen. Das gibt diesem kleinen Haus etwas Erhabenes. Und das ist gut. Denn still und etwas verlassen steht es in der Schneelandschaft…

Ein unbekanntes Ziel

Und jetzt müsste ich hier, in einem Blog mit touristischen Themen, wohl schreiben, wo diese Hütte steht und wie man dorthin kommt. Ich müsste einen Tipp abgeben für eine Schneeschuhwanderung zur Hütte, erwähnen, dass man die Hütte mieten kann, Informationen zur Anzahl der Schlafplätze geben, die Kontaktdaten und Bilder von Julia zeigen, die diese Hütte von ihrem Grossvater geerbt hat. Doch das kann ich nicht, und es ist Zeit für ein Geständnis. Diese Hütte gibt es nicht, und auch Julia nicht. Ich habe dir nur eine Geschichte erzählt. Weil ich gerne Geschichten erzähle und weil ich hoffe, dich mit Hilfe einer Geschichte zum Weiterlesen zu überreden. Manchmal klappt das.

Obwalden, auch zum Hören

Ich bin eine Geschichtenerzählerin, und das, seit ich denken kann. Ich habe Kurzgeschichten veröffentlicht, vier Romane, ein Theaterstück, Hörspiele und natürlich Morgengeschichten, mehr als siebenhundert. Für Radio SRF 1 durfte ich 22 Jahre lang diese kleinen Geschichten schreiben und sie erzählen, in meiner eigenen Sprache, im Obwaldner Dialekt. Auch jenseits der Zentralschweiz hat man diese Geschichten gehört und gemocht. Und jetzt, wo das Radio die Morgengeschichten abschafft, erzähle ich einfach weiter, in meiner Erzähl-Manufaktur «Immertag». Weil ich nicht anders kann. Und weil Geschichten gerade jetzt wichtig sind. Die Geschichten heissen jetzt «Immertag-Geschichten». Sie sind für dich. Du kannst sie als Podcast hören.

Was Berge und den Himmel verbindet

Es gibt in diesem Blog diesmal also nichts zu sehen und zu erleben, keine atemberaubende Landschaft, kein inspirierendes Museum, keinen Erlebnisparcours und keinen Wandertipp – und vielleicht doch alles zusammen. In meinen Geschichten. Denn dort ist fast alles möglich. In meinem Podcast gibt es Julia und ihre Hütte tatsächlich, und Julia erzählt ihren Gästen Geistergeschichten, bis diese näher ans Feuer rücken müssen, weil es jetzt doch ein wenig unheimlich wird. Eine meiner Geschichten erzählt vom Horizont, der die Berge und den Himmel trennt oder verbindet, je nachdem, wie man die Sache betrachtet. Eine andere Geschichte handelt von einem Stück Holz, gefunden in einem tiefen Wald, und dieses Holz hat eine Herzform, und man muss aufpassen, dass dieses Herz nicht bricht.

Eine andere Geschichte handelt von einem Stück Holz, gefunden in einem tiefen Wald, und dieses Holz hat eine Herzform, und man muss aufpassen, dass dieses Herz nicht bricht. Obwalden könnte die Kulisse vieler meiner Geschichten sein, andere Gegenden und die Städte der Zentralschweiz und der restlichen Schweiz ebenfalls, ohne dass ich den Ort explizit nennen muss. Ich selbst glaube, dass die Landschaft, in der wir leben, tief in unseren Herzen verankert ist und dass wir sie aufsteigen lassen, wenn wir sie brauchen, für eine Geschichte, um uns abzulenken, zu trösten oder um etwas gegen das Heimweh zu tun, wenn wir nicht zuhause sind. (Das Heimweh übrigens wurde früher auch Schweizer-Krankheit genannt. Aber das wäre eine andere Geschichte.) Ich lasse meinen Leserinnen und Lesern die Freiheit, sich ihre eigenen Landschaften auszudenken. Manchmal erzählen sie mir von diesen Landschaften, die sie sehen, wenn sie meine Geschichten hören oder lesen. Sie beschreiben, wo sie liegen und was es dort zu erleben gibt. Und das sind dann wieder eigene Geschichten. Und beinahe so etwas wie Ausflugstipps.

Geschichten aus dem Herzen

Die Landschaften in meinem Herzen sind ganz sicher Obwaldner Landschaften. Hier bin ich geboren und aufgewachsen, und hierher bin ich vor langer Zeit zurückgekehrt. Und wenn ich hier wandern gehe, hinauf, bis zum Horizont, dann erwachen neue Geschichten und wollen erzählt werden. Das ist es wohl, was die Leute meinen, wenn sie eine Landschaft als inspirierend bezeichnen. Wie gesagt: Dieser Blog ist nicht so, wie die anderen Blogs an dieser Stelle es sind. Und doch hält er das Versprechen seines Titels: «Geschichten aus dem Herzen der Schweiz». Ein Ausflug dorthin lohnt sich. Es ist ein Ausflug ohne Gepäck und ohne Anfahrtsweg. Du kannst dafür zuhause bleiben und bist doch weg, wenn du willst, für eine ganze Weile. Und bekommst danach Lust, einen wirklichen Ausflug zu machen.


Infos und Tipps


Gast-Bloggerin: Elisabeth Zurgilgen
Die Obwaldner Schriftstellerin lebt in Sarnen und mag Wanderungen in Obwalden ohne lange Anfahrtswege, auf Melchsee-Frutt, in die Lungerer Berge, auf den Giswilerstock oder im Winter dem Sarnersee entlang.

Passende Erlebnisse in Obwalden

Menschen aus der Region Luzern-Vierwaldstättersee. Sie berichten über ihre persönlichen Erlebnisse, plaudern aus dem Nähkästchen und verraten unbekannte Schätze aus der Region. Ob Malerin, Grafiker oder Bauarbeiter. Sie alle verbindet die Begeisterung für ihre Region.

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