Zeit, die einem auf der Zunge zergeht

Kategorien Biosphäre Entlebuch, Kulinarik, Natur, Tiere

Zart, saftig und besonders nährstoffreich. Der Gallowayhof Ming produziert in der UNESCO Biosphäre Entlebuch bestes Bio-Rindfleisch. Nebst der «regenerativen Landwirtschaft» setzen Kathrin und Stefan Ming auf ihren Betrieben in Schüpfheim und Ebnet aber besonders auf eine Geheimzutat: Die Zeit.

Sie führen gemeinsam den Gallowayhof Ming: Kathrin und Stefan Ming

Genüsslich umwickelt Galloway-Kuh Marie mit ihrer Zunge einen saftigen Büschel Gras und rupft ihn begierig aus der grünen Wiese. Heute ist ein prächtiger Tag für die flauschigen Galloway-Kühe mit dem weissen «Gurt» (welche mich low key an Oreos erinnern.) Dichter Nebel liegt auf dem Gallowayhof Ming in Ebnet, die Temperaturen frisch bis kühl.

Die Belted Galloway Rinder geniessen den Nebel

«Die Kühe lieben diese Wetterbedingungen. Kein Wunder – ihre Vorfahren stammen ja auch aus einer rauen und regnerischen Gegend in Schottland» meint Stefan lachend und wirft zufrieden einen Blick über die grasende Kuhherde aus 17 Mutterkühen und ihren Kälbern. Diese scheinen gerade ins Teenageralter zu kommen, denn sie hängen lieber mit ihren Altersgenossen rum, als bei ihren Müttern zu stehen. «Ich sehe gerade viele Parallelen zu unseren eigenen Kindern» lacht Kathrin und gesellt sich zu ihrem Mann auf die Kuhwiese.

Kathrin und Stefan sind ein eingespieltes Team. Sie kümmert sich um die Vermarktung.
Er kümmert sich um Hof und Tiere.

Nach dem Getaway die Galloways

Die Faszination für die langhaarige Robust-Rasse aus Schottland beginnt 2009, als es das Paar zu den «Kiwis» nach Neuseeland zieht. Der Plan: Auf einem Landwirtschaftsbetrieb angestellt sein und für ein Jahr mitverfolgen, wie die Menschen vor Ort die Milchproduktion handhaben. Aus einem Jahr werden sechs, aus dem Angestelltenverhältnis wird die Selbstbewirtschaftung eines eigenen Hofes, aus dem Paar wird eine vierköpfige Familie. Als die Kinder eingeschult werden sollen, kehren die Mings zurück in die UNESCO Biosphäre Entlebuch. Im Gepäck haben sie viel Wissen über die regenerative Landwirtschaft und eine neue Liebe für die Belted Galloway-Rinder.

Im Gegensatz zu den in der Schweiz verbreiteten Kuhrassen ist das Galloway-Rind kleiner und robuster.
Diese Beauty hat einen anderen Daddy. Darum ist sie grösser und eleganter gebaut als ihre schottischen Freundinnen auf der Weide.

Als Kathrins Vater den Melkbetrieb in Ebnet abgibt, sieht die Familie die Chance, von der Milchproduktion auf die Fleischproduktion umzusatteln und übernimmt 2018 den Hof. Kathrins einzige Bedingung: Sie will diese Galloway-Rinder. Gesagt, getan.

Die Galloway Rinder sind sehr friedfertige und achtsame Tiere, sowie von Natur aus hornlos.

Zeit nehmen und geben

Auf besagtem Hof stehen wir also gerade und schauen den genügsamen Tieren zu, wie sie sichtlich entspannt im Gras liegen und gemeinsam wiederkäuen. «Wir pflegen einen ruhigen und stressfreien Umgang mit unserer Galloway-Herde» erklärt Stefan. Die Rinder bekommen Zeit, um in ihrem eigenen Tempo und auf natürliche Weise heranzuwachsen. Auf Mastfutter wird bewusst verzichtet. «Wir haben da überhaupt keinen Drang zu Höchstleistungen. Das würde auch gar nicht in unsere Philosophie der ‘Regenerativen Landwirtschaft’ reinpassen» erklärt mir der gelernte Unterhaltsmechaniker.

Die Kälber werden erst nach 10 Monaten von der Mutter getrennt und zügeln dann für mindestens ein weiteres Jahr auf den Zweitbetrieb in Schüpfheim

Beim Begriff «regenerative Landwirtschaft» muss ich natürlich nachhaken. Ist das so was wie nachhaltig? «Nicht ganz» meint Stefan. Während nachhaltige Praktiken dazu beitragen, den Status Quo beizubehalten und nicht noch mehr Schaden anzurichten, gehe die regenerative Landwirtschaft noch einen Schritt weiter. «Es geht darum, die Gesundheit der Böden, der Pflanzen und Tiere aktiv zu verbessern und mehr zurückzugeben, als man genommen hat» fasst er zusammen und schmunzelt beim Anblick zweier Kälber, die angestrengt versuchen das «grünere» Gras auf der anderen Zaunseite zu schnabulieren. Anscheinend nicht nur ein Sprichwort, sondern bei Kühen sogar ein Urinstinkt.  

Möglichst nah an der Natur leben – danach strebt die Familie Ming

Alles beginnt im Boden

Graslandschaften sind Wäldern in ökologischer Hinsicht um vieles ähnlich. Sie binden Kohlenstoff tief unter der Erdoberfläche, regulieren den Wasserhaushalt und bieten zahlreichen Tieren einen Lebensraum. Jetzt braucht es also nur noch jemand, der sich um dieses Weideland kümmert, ohne es dabei zu belasten. *Trommelwirbel* und Vorhang auf für die Belted Galloway-Rinder. Sie sehen nicht nur zuckersüss aus, sie sind durch ihre Robustheit auch sehr wetterbeständig, können Nährstoffe langsam verwerten und sind ideal für die naturnahe Beweidung geeignet. Sie fressen das Gras und helfen die Böden zu düngen – ein geschlossener Kreislauf, der ganz ohne Pflanzenschutzmittel und Kunstdünger auskommt. Stefan ist der Überzeugung, dass ein gesunder Boden die Basis für eine gute Landwirtschaft ist.

Der Aufbau des Hofes gestaltete sich aber dann doch alles andere als einfach, erzählen mir die beiden auf dem Heimweg Richtung sonniges Schüpfheim. Es habe einen langen Atem und viel Geduld gebraucht. Ich realisiere: Auf dem Gallowayhof Ming sind nicht nur die Rinder robust – auch Kathrin und Stefan haben ein dickes Fell.

Hier verbringen die Jungtiere ihre Zeit bis zur Schlachtung

Wie gut es den Rindern auf dem Gallowayhof Ming geht, sehe ich auch auf dem Zweitbetrieb in Schüpfheim. Auf 1000 m. ü. M., eingebettet zwischen Napf und Farneren, und neben herumwirbelnden Katzen, zwei lockeren Lamas, ausbüxenden Ziegen und Kathrins Pferden Callini und Snoopy, liegen die Jungtiere wiederkäuend in der Sonne. «Zeit ist unser wichtigstes Qualitätsmerkmal» erklärt Stefan und Kathrin bestätigt mit einem Augenzwinkern: «Das schmeckt man anschliessend auch im Fleisch».

Auf dem Hof in Schüpfheim geniessen allerlei Tiere ein schönes Leben

Achtsamer Fleischkonsum

Das Fleisch der Galloway-Rinder zeichnet sich durch feine Muskelfasern, eine ausgewogene Marmorierung und einen hohen Nährstoffgehalt aus. Dadurch ist es nicht nur besonders saftig und zart, sondern auch sättigender. Zu kaufen gibt es das Bio-Rindfleisch vor Ort im Hofladen oder auf Abholung (ebenfalls mit der Idee, dass sich die Kundschaft Zeit nehmen soll, um vorbeizukommen und sieht, woher das Fleisch stammt).

Das Hoflädeli ist täglich geöffnet.

Neben den Klassikern, wie Burger-Patties, Huftsteaks oder Entrecôtes ist der Gallowayhof Ming vor allem für sein Vitalfleisch bekannt, das mit 10% hochwertigem Organfleisch angereichert ist. Ein Superfood, das nicht nur durch seine Mikronährstoffe besonders gesund sein soll, sondern auch wegen der Wertschätzung zum Tier bei der Kundschaft punktet. Schliesslich finden so alle Teile des Rindes Verwendung (oder im Jargon: «From Nose to tail»).

Zum Schluss möchte ich von den beiden wissen, welche aufregenden Projekte sie für die Zukunft geschmiedet haben. «Käsewürste»! kommt es wie aus der Pistole geschossen von Kathrin – «Wenn wir Käsewürste ins Angebot aufnehmen könnten. Das wäre mein Traum.» Und Stefan ergänzt lachend: «Wir haben auch noch andere Pläne, aber noch ist nichts spruchreif. Wir lassen uns Zeit mit der Planung.» Jetzt muss auch ich schmunzeln – Zeit ist auf dem Gallowayhof Ming nicht nur ein Konzept, sie ist eine Lebensphilosophie.

6 Jahre Neuseeland, die Gründung einer eigenen Familie, der Aufbau eines gemeinsames Hofes – ich bin gespannt, wo es Kathrin und Stefan in Zukunft überall noch hinziehen wird.

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Egal ob im Tanzstudio oder an der Bushaltestelle, Laila ist immer tanzend anzutreffen. Mit einem Lachen im Gesicht und einer Fotokamera in der Hand sucht die gebürtige Luzernerin überall nach Geschichten und Menschen die sie inspirieren. Oder einfach nach weiteren Orten um tanzen zu können. Mehr von Laila auf www.laila-schreibt.com

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