Umworbene Innerschweizer – Söldner in fremden Diensten

Kategorien Allgemein, Kultur, Museum / Ausstellung, Nidwalden, Regionen, Tradition

«Was können mir die Ausstellungsmacher über diese schreckliche Zeit noch erzählen?», frage ich mich auf dem Weg ins Nidwaldner Museum Salzmagazin. Das Söldnerwesen der Innerschweiz ist mir aus dem Geschichtsunterricht bekannt. Gespannt betrete ich das Haus aus dem 18. Jahrhundert, das irgendwie gut zum Thema passt.

Das Nidwaldner Museum Salzmagazin in Stans.

Werbung anno dazumal

Gleich neben dem Eingang des Salzmagazins werde ich überrascht: mit Werbung! Doch es ist keine Werbung, wie wir sie heute kennen. Sie kommt aus der Zeit der Reisläuferei, in der «werben» ausschliesslich meinte, Freiwillige zu beschaffen für den Militärdienst bei fremden Fürsten. Der Start der Ausstellung ist dieser ersten Form von Werbung gewidmet. Mit Werbetafeln und Anwerbetischen, Trommelwirbel und Ausrufern an publikumsreichen Orten – zum Beispiel vor Wirtshäusern – suchten die Werber (es gab auch Werberinnen, wie die Ausstellung klarstellt) kräftige Männer zu gewinnen. Und manchmal halfen sie auch mit Alkohol nach, wie die Hörstation verrät: Unlautere Werbung gab es also schon in früheren Jahrhunderten…

Im «Anwerbebüro» erfahren BesucherInnen Spannendes zur Anwerbung von Söldnern.
Werbeplakat für die Anwerbung von Söldnern für den König von Frankreich.
Redewendungen aus der Söldnerzeit: Was bedeuteten sie ursprünglich und heute?

Weiter geht’s ins obere Stockwerk

Schritt für Schritt sind Redewendungen aus der Söldnerzeit zu Lesen, wie beispielsweise «er erhält den Laufpass», «er wirft die Flinte ins Korn» oder «er bezahlt Fersengeld», um nur einige zu nennen. Die Erklärungen sind für mich sehr gut nachvollziehbar. Doch bin ich überrascht, dass heute gebräuchliche Redewendungen aus diesen alten, martialischen Zeiten stammen.

Freude im Dorf, denn ein Söldner ist gesund zurückgekehrt.

Freude im Dorf

Das freudige Jaulen eines Hundes empfängt mich im Ausstellungsraum. Die Tonspur passt zur grossformatigen Projektion des Bildes eines zurückgekehrten Soldaten ins Dorf. Dass aber nicht alle dieses Glück der Rückkehr erleben durften, zeigt die Videopräsentation mit Texten aus Sterbebüchern der Pfarreien. Die Söldner starben während ihren Diensten in Neapel, Spanien oder in Frankreich, auf dem Schlachtfeld, aber auch infolge von Krankheiten wie zum Beispiel Gelbfieber. An Hörstationen untermalen Geschichten und Lieder die Freuden und Leiden des Soldwesens.

Besucher diskutieren über die Exponate im ersten Stock des Salzmagazins.
Dem Rätsel auf der Spur – doch finden diese Besucherinnen und Besucher die Schatztruhe?

Auf Spurensuche

Bei einem Exponat sehe ich, dass Kinder mit ihrer Grossmutter interessiert einer Rätselspur folgen. Welche Fragen sind unter den roten Klappen versteckt? Welche Antwort ist richtig? Wo finden sie die nächste Station? Knacken Rätslerinnen und Rätsler den Zahlencode und holen sich die Belohnung aus der Schatzkiste? Für Erwachsene gibt es eine kniffligere Rätselspur mit Begleitheft, die ich mir bei einem nächsten Besuch vornehmen werde.

Reisläufer und Bettler von Niklaus Manuel.

Bilder vor dem digitalen Zeitalter

Gemälde und Zeichnungen waren in der damaligen Zeit die einzigen Bildmittel, um einen Eindruck des Geschehens zu Vermitteln. So sind hier Portraits von erfolgreichen Offizieren und Pensionsherren neben durchaus kritischen Darstellungen des schon damals umstrittenen Söldnerwesen zu sehen. Zum Beispiel das Bild mit dem Reisläufer und Bettler in einer Person. Oder die Darstellung der Schlacht von Marignano.

Exponate in der Ausstellung. Im Söldnerwesen ging es um wirtschaftliche Aspekte.

Wieso dienten Eidgenossen für fremde Herrscher?

Es ging natürlich ums Geld: Eher wenig für die Söldner, die zuhause kein Einkommen fanden. Viel für die Landes- und die Pensionsherren, die für die Rekrutierung von Söldnern einiges an Reichtum und Macht einsteckten. Doch es gibt auch die Kehrseite der Medaille, wie Hörtexte über Heimweh, Fahnenflucht, Depressionen und Suizid von Soldaten bezeugen. Die Mode der Uniformen bringt dann eher wieder ein Lächeln auf mein Gesicht. Zahlreiche Exponate illustrieren eine vergessene Zeit. Einzelne davon legen jedoch eine Spur in die Gegenwart. So zum Beispiel die Edelsteine, welche der im Jahr 2018 verstorbene Diego Wyrsch, ein Nachkomme des Louis Wyrsch, dem Nidwaldner Museum übergeben hat.

Im Dachstock des Salzmagazins oder im Schiffrumpf? Die Seereise des Borneo Louis ist eindrücklich nachgezeichnet.

Die Innerschweiz und der Kolonialismus

Louis Wyrsch, auch Borneo Louis genannt, ist denn auch die Leitfigur eines für mich völlig unerwarteten Aspekts des Söldnerwesens. Im Dachstock wähne ich mich Schiffsrumpf auf hoher See. Das Meer tobt, die Schiffsglocke läutet. Sechs Monate verbrachte Louis auf dem Schiff, bevor er als Offizier auf den Gewürzinseln (Indonesien) im Dienst der niederländischen Kolonialbesatzung zu Rang und Namen kam. Ausschnitte aus seinem Leben sind aus dem zweitausendseitigen Tagebuch entnommen. Und, dass bereits im Jahr 1860 ein «Nationalrat of Color» vom Nidwaldner Stimmvolk gewählt wurde, hat auch mit diesem Mann zu tun. Überrascht? Mehr über die spannenden Geschichten hinter den Söldnern erfährst du im Nidwaldner Museum Salzmagazin.

Ausstellung im Nidwaldner Museum Salzmagazin

SÖLDNER, REISSÄCKLER, PENSIONENHERREN — Ein Innerschweizer Beziehungsnetz

31. März – 31. Oktober 2021 Nidwaldner Museum Salzmagazin, Stansstaderstr. 23, Stans


Infos und Tipps


Gastautorin: Esther aus Luzern.

Weitere spannende Museumserlebnisse

Menschen aus der Region Luzern-Vierwaldstättersee. Sie berichten über ihre persönlichen Erlebnisse, plaudern aus dem Nähkästchen und verraten unbekannte Schätze aus der Region. Ob Malerin, Grafiker oder Bauarbeiter. Sie alle verbindet die Begeisterung für ihre Region.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert