
Eine saftig grüne Hügellandschaft, das beruhigende Klappern von vier Hufpaaren und dazwischen kecke Sprüche von zwei Kutschern, die nicht nur den gleichen Strohhut, sondern auch den gleichen Vornamen tragen. Heute nehme ich euch mit auf eine Kutschenfahrt durch die Region Willisau. Mit dabei Hans. Und Hans.


Wäre ich ein Pferd, dann wäre ich ziemlich sicher ein Pony. Klein, frech und bissig – das liest sich ziemlich genau wie das Ergebnis meines Persönlichkeitstests bei der Schulpsychologin. «Ein Isländer, um genau zu sein!», ordnet mich meine Mitbewohnerin Lisa im imaginären Pferdespektrum zwischen süssem Shetlandpony und stattlichem Shire Horse ein. «Keine Ahnung was für ein Pferd du wärst. Auf jeden Fall ein zerzaustes und ungekämmtes», würde meine Mutter hingegen sagen. Ich teile beide Ansichten.

Ponys und Persönlichkeitstests beiseite. Für den heutigen Blogbeitrag muss ich meine etwas irrationale Angst vor Pferden überwinden. Okay, «Angst» ist vielleicht etwas übertrieben. Sagen wir gesunden Respekt vor Tieren, denen ich mit meinen delikaten 1,55 m Körpergrösse knapp zur Schulter reiche. Denn jetzt steht Kutschenfahren auf dem Programm. Ganz nach Aschenputtel-Manier.

Ein Hans kommt selten allein
Das besagte Märchen findet seinen Anfang hoch über Willisau auf dem Hof von Hans Wüest. Dort angekommen, werde ich sogleich von Hans persönlich in Empfang genommen und seinem heutigen Helfer – ebenfalls Hans – vorgestellt. Gut, Namen merken wird heute ein Leichtes. Mein gebündeltes Interesse gilt jedoch nicht den beiden Herren, sondern den bereits fein säuberlich gestriegelten Pferdedamen Angie (18 Jahre) und Bonita (9 Jahre). Ganz ruhig und unaufgeregt stehen die Freiberger Stute und die feurige Ungarin in der Sonne und lassen sich von Hans und Hans das Kutschengeschirr anlegen. Die edlen Rösser stehen bereit, es fehlt also nur noch die holde Kutsche.



Nach einem kurzen Spaziergang erreichen wir Hans’ Kutschenpark, von wo wir die schönste Aussicht über das Luzerner Mittelland und die Pilatuskette geniessen. Hans Nr. 2 spannt die beiden Pferde an den hölzernen Gesellschaftswagen, während Hans Nr. 1 das Geschehen mit Adlersaugen kontrolliert und hier und dort etwas justiert. Da sich die Mai-Sonne heute kompromisslos an unsere winterbleichen Gesichter schmiegt, können wir die Plastikwände der Kutsche hochrollen und uns dadurch voll und ganz der zauberhaften Landschaft (und der vollen Ladung Pollen) hingeben.



Offroad Action
Auf Los geht’s los. Wir verlassen den Hof und traben genüsslich den Hügel hinunter in Richtung Weiherlandschaft Ostergau. Das Naturschutzgebiet gehört eigentlich nicht zu Hans’ offiziellen Routenangeboten, aber da Anna (meine heutige Begleitung) und ich wohl royalen Status besitzen, kommen wir in den Genuss dieser malerischen Offroad-Action. Anscheinend tschaupen hier auch Kiebitze und Fadenmolche herum, aber das Einzige worauf ich mich gerade konzentrieren kann, ist nicht selbst aus der Kutsche und in die üppig blühende Flora und Fauna zu fallen. Die gute Kutsche mit den rostroten Sitzbänken holpert je nach Untergrund und Schlagloch nämlich ganz schön in der Landschaft herum – was das Fotografieren nicht unbedingt einfacher macht.





Während fischreiche Weiher und sonnenhungrige Spaziergänger:innen an uns vorbeiziehen, kralle ich mich weiterhin mit allen zehn Fingern an der Tischkante fest und will von Hans wissen, wie lange er die «Williauer Rösslifahrten» schon anbietet: «Puh, sicherlich schon etwa 50 Jahre», meint der gebürtige Willisauer, der schon als Kind auf einem Bauernhof mit Pferden aufgewachsen ist. «Ich schätze an meinem Beruf vor allem den lockeren Kontakt zu den Menschen und die Arbeit mit den Pferden», erzählt uns Hans, während sich die Kutsche an einem dichten Gebüsch vorbeizwängt und ich mir die saftig grünen Äste aus dem Gesicht klaube.




Hold your horses. And your beer
Wir fahren weiter. Mit 2PS (literally) geht’s über schmale Brücken, zweimal um den Kreisel und vorbei an Traktoren, die akrobatisch im 45-Grad-Winkel den Hang hinauf- und hinuntertuckern. Nach 5km erreichen wir das Städtchen Willisau, wo wir die heitere Apéro-Gesellschaft für den zweiten Teil der Tour aufgabeln. «Alle Augen auf uns» heisst es als wir mit vollbeladener Kutsche durch die Hauptgasse traben. Wir lassen die für Willisau charakteristischen siebeneckigen Brunnen hinter uns sowie die sprücheklopfenden und euphorisch winkenden Stadtbewohner:innen, die alle Hans Nr. 1 bestens zu kennen scheinen.



Wir passieren Meerrettichfelder, geniessen schattige Waldabschnitte, das Rauschen der ruhig dahin plätschernden Enziwigger, fahren entlang dem «Chrüterhäxli Lilli Gwonderwäg» (schon der Name an sich fühlt sich wie ein Zauberspruch an), tuckern über idyllische Feldwege und sehen sogar den Napf sowie den Bauernhof, auf dem Hans’ Mutter aufgewachsen ist. Dazwischen werden Snacks und Getränke ausgepackt, die bei akuten Schlaglöchern oder vorbeihuschenden Ästen reflexartig vor dem Umkippen gerettet werden müssen. Ab und zu zupfen auch Angie und Bonita ein paar saftige Grasbüschel vom Wegrand und mampfen diese genüsslich beim Weitertraben – Apéro vorne wie hinten sozusagen.




Kurz vor dem Kräuterdorf Hergiswil, geht es in einer scharfen Linkskurve hinauf zu einem der markanten Napfgrate in Richtung Mörisegg. Unterwegs eröffnet sich uns ein spektakulärer Blick auf die umliegende Hügellandschaft des Luzerner Hinterlandes. Sogar die bekannte Honegg-Linde (eine der ältesten Linden der Region) erspähen wir in der Ferne und ich verliere mich im Licht des frühlingshaften Sonnenunterganges. Hach, wie schön.


Rundumsicht und rundum glücklich
Hans bietet auf seinen Rösslifahrten unterschiedlichste Touren für unterschiedlichste Anlässe an. Von Polterabendgaudis bis zu Hochzeiten – dann gibt es Hans mit Frack und Zylinder auf einem eleganten Landauer – sowie von kurzen Ausfahrten bis zu Ganztagesrouten können Gäste eine der bestehenden Touren wählen oder eine eigene Wunschroute zusammenstellen (inklusive Kaffeehalt oder kurzem Jass-Intermezzo).


Mit einem halben Ohr erfahre ich von meinen Kutschengenoss:innen, dass wir uns auf der aussichtsreichen «Napfblick-Tour» befinden und uns nun dem schönsten Rundum-Panorama der Tour nähern. Bei klarer Sicht könnte mensch jetzt noch den Jura und die Alpen von der Jungfrau bis zum Säntis bestaunen. Heute geniessen wir den Blick auf die Rigi, den Pilatus und die von der Abendsonne warm angeleuchteten Felder voller Gerstenfelder, Margeriten und Mohn. Nach dem Hof Vorberg starten wir den Abstieg nach Willisau und werden sogleich von einer neugierigen Meute Kühe verfolgt. Wie eine Gruppe Delfine, die wellenspringend einem Boot folgt, schiessen 20 braun-weisse Weidewalzen hüpfend über die Wiese und schauen den beiden Pferdedamen mit grossen schwarzen Knopfaugen nach.




Nach einer zweieinhalbstündigen Ausfahrt im Schein der untergehenden Sonne erreichen wir wieder das Städtli Willisau und ich bin nicht ganz unfroh wieder festen Boden unter den Füssen zu haben. Wir verabschieden uns dankend von Hans und Hans und ich trau mich sogar noch, die Näschen von Angie und Bonita zum Abschied zu tätscheln. Ein erfolgreicher Nachmittag durch und durch – Sonne getankt, Apéro genossen und nebenbei noch bisschen Angst bewältigt. Was will mensch mehr von einem lockeren Freitagabend.



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