Herbstzeit ist Jagdzeit. Auch ich bin leidenschaftliche Jägerin. Momentan bleibt mein Jagdgewehr jedoch im Schrank stehen, denn ich mache Babypause. Und doch lässt es mich nicht los und ich denke immer wieder an meinen erfolgreichsten Jagdtag vor einem Jahr zurück. Ich weiss es noch, als wäre es gestern gewesen. Gerne nehme ich euch auf meine Gedankenreise mit.

Tagwache

05:00 Uhr: Der Wecker mit den nervigen Jagdhornklängen läutet uns aus den Federn. Nicht lange, denn die Hand meines Vaters schnellt glücklicherweise sofort auf den Ausschaltknopf und setzt dem jämmerlichen Gedudel ein Ende. Start in den Tag. Schon bald sind alle aus dem warmen «Nischt» herausgekrochen und bereit für das bevorstehende Abenteuer. Mit Rucksack, Gewehr und Stirnlampe ausgerüstet machen wir uns in den frühen, finsteren Morgenstunden auf den Weg zu unseren Jagdkollegen im Hintertal.

06:00 Uhr: Ohne viele Worte auszutauschen kommen wir bei der Hütte an. Der Duft vom Hüttenfeuer und vom frisch abgeschreckten Kaffee zieht uns in seinen Bann. Jetzt gibt’s zuerst einmal eine kräftige Brühe bei den Rostijägern, bevor es weiter zu unseren Beobachtungsposten geht.

Der Tag bricht an auf der Jagd in Gurtnellen.

06:30 Uhr: So langsam erwacht der Tag. Unser Blick richtet sich starr durch unsere Feldstecher an den mit Erlenstauden bewachsenen Hang auf der Suche nach Hirschen. Der heitere Bergmorgen ist frisch und die Sonne leuchtet erst die obersten Berggipfel an. Die Gämsen dort oben geniessen bereits die ersten Sonnenstrahlen. Ich ziehe alles an, was ich noch in meinem Rucksack finden kann.

Plan B für die Jagd

08:00 Uhr: Noch immer sehen wir kein Haar von einem «Rotrock». Wir legen unsere «Spiegelrohre» für einen Moment zur Seite und besprechen die Lage. Wir entscheiden uns, es mit der Jagd auf gut Glück zu versuchen. Das hat auch schon in früheren Jahren oft zum Jagdglück geführt, meint unser ältester Oberjäger. Der Plan wird geschmiedet und drei aus unserer Gruppe steigen an. Wir anderen machen uns auf den Weg hinunter Richtung Wardegg.

08:45 Uhr: Bei der Wardegg angekommen geniesse ich die ersten Sonnenstrahlen und wir stärken uns mit Spiis aus dem Rucksack. Die anderen drei haben’s jetzt nicht so gemütlich wie wir und befinden sich immer noch im steilen Anstieg durch die mit «Drosseln» und Alpenrosen bewachsenen Hänge.

Die ersten Sonnenstrahlen erscheinen über den Berggipfeln.

Spannung pur

10:00 Uhr: Rucksack auf den Stein, Gewehr drauf und Blick hoffnungsvoll in Richtung Treiber gerichtet. Jeder liegt bis ins letzte Haar gespannt auf seinem Posten. Der Treib kann beginnen. Ein Moment der Stille und die Spannung liegt spürbar in der Luft. Die Sonne brennt nun auf uns herab und die warmen Jagdhosen heizen noch zusätzlich ein.

Es gilt ernst

10:30 Uhr: Plötzlich krachen die Stauden und ein Hirschstier springt ins offene Gelände. In den hohen Farnpflanzen sehe ich noch gar nicht, wie gross der Hirsch wirklich ist. Ca. 100 m vor mir wechselt er die Richtung, verhofft kurz und zeigt mir die Seite. Er steht Blatt. Das Adrenalin schiesst durch meinen Körper, mein Herz rast. Jetzt passiert alles wie durch einen Instinkt. Atmen, Zielen, Abdrücken… Bumm… Repetieren. Durch das Zielfernrohr sehe ich, dass der Hirsch getroffen ist, er geht aber noch ein paar Meter weiter. Dort vorne ist mein Vater positioniert, welcher nochmal schiessen kann. Der Hirsch macht noch zwei Sprünge und geht zu Boden!

Einer für alle – alle für einen

Als die Treiber aus den Stauden kommen ist die Jagd vorbei. Wir gehen hoch zum erlegten Hirsch und sehen zum ersten Mal, was für ein Prachtstier das ist. Wir gratulieren uns alle gegenseitig.

Voller Ehrfurcht, Erleichterung und Glücksgefühle treten wir vor das stattliche Geschöpf. Wir jauchzen und freuen uns über den gemeinsamen Erfolg dieser Jagd. Noch immer bin ich voller Adrenalin und kann es kaum glauben, währenddessen ich mit dem «letzten Bissen» dem Tier die letzte Ehre erweise.

Ein dankender Blick zum Himmel und Waidmannsheil!

Danach steht die sogenannte «rote Arbeit» an, der Hirsch wird aufgebrochen und ausgeweidet. Für den Transport bis nach Gurtnellen benötigen wir den Heli, da ein eigenhändiger Transport mit diesem 160 kg Koloss fast unmöglich ist und die Fleischqualität mindern würde.

Jäger und Treiber mit dem erfolgreich erlegten Hirsch.

Bei unserer Jagdhütte angekommen, stossen wir alle zusammen an, freuen uns am gemeinsamen Erfolg und lassen die erfolgreiche Jagdwoche bei reichlich «Jägerlatein» nochmals Revue passieren.


Weitere Links und Tipps


Gast-Bloggerin: Jägerin Jacqueline Russi, Andermatt-Urserntal Tourismus AG.

Noch mehr Wildnis in der Region Andermatt-Urserntal

Menschen aus der Region Luzern-Vierwaldstättersee. Sie berichten über ihre persönlichen Erlebnisse, plaudern aus dem Nähkästchen und verraten unbekannte Schätze aus der Region. Ob Malerin, Grafiker oder Bauarbeiter. Sie alle verbindet die Begeisterung für ihre Region.

1 Gedanke zu „Auf der Jagd in Gurtnellen

  1. Wenn ich diesen bericht lese,bin ich glückliche ,,fleischlose“!adrenalin..schiesst durch meinen körper vor wut,weil die letzten leidenssekunden eines majestätischen geschöpfes so ein geiles erlebnis sein können..bin sprachlos und traurig!

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