Alpaufzug auf die Alp Oberfeld

Kategorien Natur, Nidwalden, Tradition

Mitte Juni begleitete ich den Alpaufzug der Familie Waser. Mit 66 Pfauenziegen ging die Reise vom Heimbetrieb in Grafenort, vorbei am idyllischen Bannalpsee bis rauf auf die Alp Oberfeld. Pralle Sonne, ein steiler Zickzackweg und ein Ziel: Die saftigen Wiesen am Fuss der Walenstöcke. Am Ende hing uns allen die Zunge raus.

Auf dem Heimbetrieb

Bereits Mitte Mai besuchte ich die Familie Waser zu Hause in Grafenort. In der gemütlichen Bauernstube sitzen mir Rita und Sepp Waser gegenüber und reichen mir eine Tasse Tee. Den Heimbetrieb bewirtschaften sie seit 2014 nicht mehr selber. Die Familie Käslin kümmert sich durch das Jahr um die Ziegen, während die Wasers mit den Ziegen den Alpsommer verbringen.

Vor dem Fenster schlagen die Pfauenziegen ihre Kapriolen im steilen Gelände. «Pfauenziegen sind sehr robust, marschtüchtig, mögen kräuterreiche Weiden und klettern mit Leichtigkeit» , stellt mir Rita die schwarz-weisse Herde vor. Der Alpaufzug sei kein Zuckerschlecken und auch das Leben auf der Alp verlangt den Tieren einiges ab. Für die fitten Gebirgsziegen sei das aber kein Problem. Vor rund 25 Jahren entschieden sich die Wasers für diese vom Aussterben bedrohte Nutztierrasse. «Wir wollten etwas Spezielles. Da passten die ProSpecieRara-Ziegen gut zu uns» meint Sepp gelassen.

Eine neugierige Pfauenziege auf dem Heimbetrieb in Grafenort.

Seit 19 Jahren führt die Familie Waser mit Hilfe von einigen Helfern den Alpaufzug auf die Alp Oberfeld durch. Die Alp ist seit Generationen im Privatbesitz der Familie Waser und gehört zur Liegenschaft Ifängi in Grafenort. Bereits Sepps Onkel bewirtschaftete die Alp viele Jahre, bevor sie Rita und Sepp im Jahr 2000 übernahmen. Die Alphütte wurde anschliessend saniert und die Alpkäserei vorschriftsgerecht erneuert.

Die Alp liegt auf 1860 Meter über Meer und ist wunderbar am Fusse der Walenstöcke situiert. An der Alp führt eine der schönsten Höhenwanderungen der Schweiz vorbei: der Walenpfad. Auch auf der Buiräbähnli Safari kreuzen Wanderer die Alp Oberfeld. Das «Zabigplättli» mit hauseigenem Alpkäse, das berühmte Heuburdi-Kaffi und diverse Übernachtungsmöglichkeiten machen die Alp Oberfeld unverzichtbar für eine Wanderpause.

Verspäteter Alpaufzug

Der Alpsommer ist essentiell für den Betrieb. Das üppige Gras auf den Alpweiden dient den Tieren als Futter. Ohne den Alpsommer wären die Bauern gezwungen ihre Tierbestände zu verkleinern oder zusätzliches Futter teuer zu erwerben. Auch bei der Familie Waser herrscht dieses Jahr Unsicherheit. Gestern sei wieder etwas Schnee gefallen, meinte Sepp. Das verzögere den Alpaufzug wieder um ein paar Tage. «Wir hoffen zwischen dem 5. und 15. Juni hochwandern zu können.» Viele Bauern schmücken ihre Tiere bei der Alpfahrt und ich frage die beiden, ob dieser Brauchtum hier auch gelebt wird: «Die Ziegen würden sich niemals den Schmuck anziehen lassen. Und wenn, würden sie sich ihn innerhalb von 5 Minuten gegenseitig vom Körper wegfressen« erklärt mir Rita lachend. Es bleibe auch gar keine Zeit dafür, fügt Sepp trocken an.  

Und dann ist es soweit. In meinem E-Mail Posteingang erscheint am Montagmorgen die entscheidende Nachricht:

«Hallo Laila. Endlich melden wir uns…. es hat noch immer Schnee im Oberfeld. Aber die Ziegen kommen nun am Dienstag 18. Juni.»

Aufgrund der hohen Schneemenge und den kühlen Temperaturen im Mai, fand der Alpaufzug dieses Jahr später als geplant statt. Nur einmal in diesen 19 Jahren wurde der Alpaufzug noch einen Tag später durchgeführt.

Die Alpfahrt

Die Pfauenziegen laufen um 07:30 Uhr vom Heimbetrieb in Grafenort direkt auf die Alp. Neben fünf HelferInnen, schauen die Border Collies Jeff und Jens, dass die Ziegen nicht zu weit in die Ferne schweifen. Ich treffe die Truppe zweieinhalb Stunden später auf der Bannalp. Schon von weitem höre ich das fröhliche Glocken-Orchester klimpern. Die Herde zieht an mir vorbei und ich schliesse mich an. Einige schnuppern begeistert an meiner Kamera, während andere ein paar Grasbüschel zupfen. Es folgt der steile Zickzackweg. Die Helfenden geben sich alle Mühe die Ziegen mehr oder weniger auf dem Weg zu behalten. Die Euphorie nach Fressen scheint deutlich dem Wandern zu überwiegen. Unterdessen breitet sich auch Müdigkeit unter den Ziegen aus. Einige fallen zurück. Die langsameren Genossen werden von Sepp betreut und motiviert. «Chom Geisli, chom.», schallt es im Minutentakt durch den Alpaufzug. Ich bin irgendwo im Mittelfeld dabei und fühle mich unterdessen auch als Bergziege. Wir sind hier schliesslich alle im selben Boot. Etwa 40 Minuten folgen wir dem steilen Weg. Bei jeder Bachrinne stürzen sich die Ziegen durstig auf das Wasser. Es gibt Stau. Gut für mich, dann kann ich auch etwas durchatmen und mir das Panorama um den Bannalpsee zu Gemüte führen.

Rund 833 Höhenmeter müssen die Pfauenziegen bis zur Alp Oberfeld überwinden.

Schnee im Juni

Das letzte Drittel führt uns über ein Schneefeld. Überdurchschnittlich viel Schnee für Mitte Juni. Da der Schnee unter der Decke bereits am schmelzen ist, brechen wir immer wieder knietief ein. Fast wie in einem Mienenfeld, hallt es mir durch den Kopf. Dann: Alp in Sicht! Auch die Ziegen wissen, dass der diesjährige Alpaufzug überstanden ist und meistern die letzten Meter in einem überschwänglichen Galopp.

Während die Ziegen sich nach dem zweieinhalb stündigen Marsch im Schatten ausruhen, geniessen wir unter einem Sonnenschirm hausgemachtes Früchtebrot von Rita. Kurz darauf stösst Sepp mit den langsameren Ziegen hinzu. Die beiden Alphelferinnen erreichen die Alp mit weiteren 20 Minuten Rückstand. «Sie haben sich geweigert zu laufen», meint Lisa müde. Rita lacht: «Ja das ist halt der Charakter von Ziegen. Wenn sie nicht mehr wollen, dann wollen sie nicht mehr. Da hilft alles ziehen, stossen und gut zureden nichts mehr.»

Und jetzt?

Noch sind nicht alle Tiere auf der Alp. Die drei Milchkühe, sowie die 14 Mutterkühe mit Jungtieren wurden bereits auf die untere Alp «Firnhütt» gebracht und ziehen Anfangs Juli auf die Alp um. Erst dann habe es genug Futter für alle Tiere. Auch bei den Kühen setzten die Wasers auf eine robuste Rasse. Das Rätische Grauvieh ist durch sein geringes Gewicht und seine Anpassungsfähigkeit optimal für extreme Berggebiete geeignet. Die 12 Gitzi werden mit der Bannalp Seilbahn von Oberrickenbach nach Bannalp hoch chauffiert und laufen von dort die gleiche Strecke wie ich absolviert habe. Die beiden Schweine überwinden die Höhenmeter per Materiallift.

Für mich gilt es wieder hinabzusteigen. Ich werde im August drei Tage auf die Alp Oberfeld zurückkehren, um Rita beim käsen zuzuschauen und mir den Bauch mit leckerem Alpkäse vollzuschlagen. Wenn ich nicht gerade am essen bin, erkunde ich die Region um den wunderschönen Bannalpsee und wandere den Walenpfad Richtung Brunni fertig. Bis dahin müssen die Pfauenziegen ohne mich und meine Kameraausrüstung auskommen. Genug zu futtern haben sie ja jetzt.

ACHTUNG: der Walenpfad Richtung Engelberg ist noch immer wegen Schnee geschlossen!


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Egal ob im Tanzstudio oder an der Bushaltestelle, Laila ist immer tanzend anzutreffen. Mit einem Lachen im Gesicht und einer Fotokamera in der Hand sucht die gebürtige Luzernerin überall nach Geschichten und Menschen die sie inspirieren. Oder einfach nach weiteren Orten um tanzen zu können. Mehr von Laila auf www.laila-schreibt.com

3 Gedanken zu „Alpaufzug auf die Alp Oberfeld

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