Der Weihnachtsbaum der zweimal Weihnachten hat (2. Teil) 

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Seit Januar, Ihr erinnert Euch daran, stehe ich also im Wasser. Da war es still und zugegeben, etwas ungewohnt ruhig. Kein Wind, keine Vögel, keine Geräusche – einzig die Sonne glitzerte ab und zu bis zu mir hinunter. Manchmal kam der Mond vorbei und sagte mir dann gute Nacht.

Ein Weihnachtsbaum in seinem 2. Leben. 
Das erste Laichband (April 2023). 

Die Tage vergingen und wurden bald merklich wieder länger und auch der See erwärmte sich mit jedem Tag mehr. Plötzlich schwammen so komische Tierchen um mich herum. Nicht Vögel. Vögel ohne Füsse und ohne Federn, also eigentlich so glitzernden «Federn». Sie dünkten mich etwas glatt, diese Vögel. Sie kreisten um mich herum, ich habe diese Kreaturen noch nicht gekannt. Auf einmal hielt eines bei mir an, als ich murmelte: «komischer Vogel». Er sagte verdutzt und etwas verärgert: «Ich bin doch kein Vogel. Ich bin ein Fisch.» Noch nie habe ich etwas von Fischen gehört. Ich komme vom Fusse des Pilatus. Dort oben haben wir gewiss keine Fische gehabt, aber Vögel mit Federn, farbigen Federn. Hier haben wir silbrige, grüne und bräunliche Fische aller Grössen mit glitzernden Schuppen, musste ich mir sagen lassen. Einige haben Stacheln auf ihrem Rücken, ähnlich wie meine Nadeln sind. Einige haben Streifen, manche glitzern bunt oder schimmern golden, wieder andere sehen aus wie eineiige Zwillinge, einfach nicht zu unterscheiden – ja ich geb’s zu für mich als Weihnachtsbaum verwirrend. Der Fisch schwamm also um mich herum als dann plötzlich ein zweiter kam und ein dritter und vierter. Ein grosser und ein kleiner und ein anderer, langer. Er sagte, er sei der Hecht. Ein anderes meinte, dass es ein Egli sei, dann gab’s noch die Schleie. Ich kannte zum Schluss alle, die freundlichen Eglis, den Hecht, der immer etwas grimmig guckt. Ein bisschen Angst hatte ich vor ihm, vor dem Hecht mit dem grossen breiten Maul. 

Egli
Hecht

Familie Hecht oder Egli? 

Eines sonnigen Tages kam Mama und Papa Hecht. Nein, es war nicht Familie Hecht, es war Familie Egli. Ich habe nach dieser kurzen Zeit mit so vielen neuen Freunden noch immer es „bizzeli äs Gnusch im Fadäzeindli“ bei diesen vielen Fischen – denn täglich kamen wieder ein paar aus der Tiefe, um sich an der Sonne zu wärmen. 

So kam also Mama Egli, kreiste um mich herum und legte ein weisses, langes Band auf meine Äste ab. Es war ein hübsches Band, das mich an Schnee oder Weihnachtsdeko erinnerte. Ich freute mich, denn ich habe wieder Schmuck bekommen. Dann kam Papa Egli und liess eine Art weisse Milch heraus. Ich wusste aber nicht, was das soll. So stand ich voll von diesen Bändern im See. Wiederum vergingen die Tage und ich blickte stolz auf meine prächtig geschmückten Äste hinunter und merkte bald: «Das sind ja Eier!» Fast wie bei den Vögeln im Nest, am Fusse des Pilatus, wie mir meine Mutter davon erzählt hat, als ich noch im Tannzapfen bei ihr war. 

Und jetzt bin ich selbst ein Baum, unter Wasser, mit Ästen und einem Nest mit vielen Eiern. Fischeier eben. 

Laichband im Fischreis.
Eglilaich
Egli im Fischreis.

Die Babies 

«Um Himmelswillen!», erschrak ich eines Tages, denn sie schlüpften, die kleinen Fischkinder – und zwar alle gleichzeitig! Die Egli-Kinder umkreisten mich. Nicht eines oder zwei, hunderte oder tausende. Ich wusste bei bester Güte nicht mehr, wohin ich schauen musste. Sie waren oben, unten, links, rechts. Es glitzerte um mich, sie tanzten wie Schneeflocken in der Sonne. Wie Schnee, so viele Fische überall. Das Gras um mich ist gewachsen. Sie sagten, das sei Seegras und es ist so schön. Die Sonne strahlte von der Wasseroberfläche bis nach unten zum Seegrund. Es hatte unzählige Fische um mich herum und immer, wenn ein Hecht auftauchte, kamen die kleinen Egli ganz dicht an mich heran. Sie schlüpften zwischen meine Äste, so konnte ich sie beschützen, bis sie grösser wurden und ausfliegen durften. Ich freue mich nun zuzusehen, wie die kleinen Kinder grösser werden und wachsen, sich sonnen und spielen. Recht oft übrigens wurde ich von diesen komischen Gestalten in ihren Anzügen mit den Dingern auf dem Rücken besucht – ich glaube die haben genauso viel Freude an den Fischen, wie ich es habe. 

Laichband im Seegras.
Die Unterwasserwelt am Hausriff des Tauchsport Nidwalden. 
 

Und wie die Zeit läuft, wurden die Tage wieder kürzer und das Wasser kälter. Meine Freunde, die Fische, verabschiedeten sich und drückten mich herzlichst, weil es Zeit ist und sie nun wieder in ihr Winterquartier ziehen. 

Ich wusste, jetzt ist es Zeit und wieder kommt Weihnachten. Wer weiss, vielleicht ist es ein Jahr, wo ich selbst ein neues Gspändli bekomme, sozusagen einen permanenten Freund, einen anderen Weihnachtsbaum, welcher sich neben mich gesellt und ich meine Geschichte erzählen darf: Vom Weihnachtsbaum mit den zwei Weihnachten. 

Frisch fröhlich am „Umeschnaage“ de Schnägg.
Wunderbar klar ist es auch.
Fadenalge mit Plankton.
Wer da wohl mal drauf gesessen hat, bis er im See gelandet ist? 

Weitere Informationen & Links:


Gast-Blogger: Team Tauchsport Nidwalden,
Text: Claudia Sabine Meier
Fotos: Karin Baumann

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Menschen aus der Region Luzern-Vierwaldstättersee. Sie berichten über ihre persönlichen Erlebnisse, plaudern aus dem Nähkästchen und verraten unbekannte Schätze aus der Region. Ob Malerin, Grafiker oder Bauarbeiter. Sie alle verbindet die Begeisterung für ihre Region.

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