Backstage in der Operette und um ein Haar im zweiten Akt

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Monatelang hat ein Team von rund 180 Personen an der Operette «Frau Luna» gearbeitet und heute steht die Generalprobe an. Das Stadttheater Sursee gewährt mir exklusiv Zugang hinter die Bühne und ich erlebe live, was bei einer solchen Produktion im Backstage, unter der Bühne, in der Maske und in der Umkleide abgeht – vollkommen verborgen von den 450 Gästen im Saal. Völlig fasziniert habe ich die Zeit vergessen und landete um ein Haar unfreiwillig im zweiten Akt.

In den engen Katakomben im Untergeschoss des Stadttheaters Sursee herrscht eine halbe Stunde vor Aufführungsbeginn geschäftiges Treiben. Leute huschen hin- und her; Techniker, Musikerinnen und Musiker vom Orchester, Sängerinnen und Sänger. Die meisten sind bereits kostümiert, vereinzelt huscht jemand in Unterhosen um die Ecke.

Raya Sarontino, die die Rolle der Frau Luna spielt, bekommt in der Maske den Kopfschmuck für die nächste Szene aufgesetzt.

Während sich die 450 Sitzplätze im Stadttheater fast vollständig füllen, herrscht in der Maske Hochbetrieb; die Balletttänzerinnen sind an der Reihe. Das Coiffeusen- und Visagistinnen-Team trägt Make-up auf, bringt falsche Wimpern an, setzt Perücken auf und bringt die Frisuren mit Haarspray in Form. Die Stimmung ist gut, es wird geredet und gelacht, man kennt sich.

Blick von der Galerie auf die Bühne mit dem Orchestergraben.
Lichttechniker Cédric hat in der technischen Regie den gesamten Saal und die Bühne im Überblick. Er folgt dem Drehbuch konzentriert und führt die Beleuchtungssequenzen aus.

Engelsgleiche Chorgesänge

Gleich nebenan wurde die Umkleide der Herren zum Proberaum umfunktioniert. Der ganze Chor hat sich versammelt und singt sich unter der Leitung des Chorleiters ein. Es ist laut im kleinen Raum und es wird schnell warm. Und mir wird zum ersten Mal warm ums Herz. Von Kultur verstehe ich nicht viel, von Operetten schon gar nicht. Doch für Ohren und Herz ist dieser Chorgesang eine regelrechte Massage – die kräftigen Stimmen, die den Raum mit wunderbaren, harmonischen Klängen füllen – es ist herrlich. Nur Momente nach dem Einsingen begeben sich die Schauspielerinnen und Schauspieler zu den engen Eingängen links und rechts der Bühne, der Vorhang wird gezogen und es geht los.

Beim Einsingen in der Umkleidekabine der Männer wird der Platz knapp. In der Mitte Achim Glatz, Choreinstudierung und musikalischer Assistent.
Im Orchestergraben dirigiert Isabelle Ruf das Orchester. Als Leiterin Musik und Produktion ist sie sozusagen die CEO der Operette Frau Luna im Stadttheater.

Zeitplan im Griff behalten

Überall im Backstage und im Untergeschoss sind Bildschirme und Lautsprecher verteilt. Wer nicht auf der Bühne steht, sich umzieht oder in der Maske ist, verfolgt die Aufführung gebannt mit. Über die Lautsprecher ruft die Inspizienz laufend jene Namen auf, die sich für den Auftritt bereit machen müssen. Die Inspizienz sorgt dafür, dass alles reibungslos abläuft. Das gilt auch für die Requisiten: Jeder Hut, jeder Blumenstrauss, jede Perücke und jeder Gehstock hat einen fest angeschriebenen Platz. Das leuchtet ein, denn um Dinge zu suchen ist weder Zeit noch Platz, wenn die 27 geplanten Auftritte problemlos über die Bühne gehen sollen.

Links: Von hier aus hat die Inspizienz die Fäden im Griff.
Rechts: Im Orchestergraben, direkt vor der Bühne.

Violinist im Orchestergraben.

Das Geheimnis des Mondfluges

Es kommt zur Schlüsselszene in der Operette: Die Solisten fliegen von Berlin auf den Mond. Ich befinde mich im Untergeschoss und sehe, wie es das Technikerteam schafft, eine Rakete, in die soeben vier Leute eingestiegen sind, rauchend und unter tosendem Applaus des Publikums von der Theaterbühne abheben zu lassen. Doch verraten darf ich es nicht – genauso, wie ein Magier seine Tricks niemals verrät, so hüten die Techniker das Geheimnis ihrer Bühnenkunst für sich.

Das Ballett führt eine Szene auf, in der junge Berliner Mädels Gefallen an einem flotten Burschen gefunden haben. Beziehungen, Liebeleien und Techtelmechtels kommen in Frau Luna einige vor.

Links: Hauptdarsteller Andreas Esteban huscht in die Maske und lässt sich etwas Lippenbalsam auftragen. Die Zeit drängt, gleich ist sein nächster Auftritt dran.
Mitte: Gleich nach der Ballettszene sehe ich den Tänzer im Backstage wieder, wie er sich einen Moment Zeit nimmt, um sein Smartphone zu checken.
Rechts: Die Ballett-Tänzerinnen kommen gut gelaunt von der Bühne zurück und verziehen sich gleich in die Umkleide.

Um ein Haar im zweiten Akt gelandet

In der Pause nutze ich die Zeit und begebe mich hinter geschlossenem Vorhang auf die Bühne. Wo eben noch ein Berliner Viertel mit Häusern war, ist jetzt eine eindrucksvoll geschwungene Treppe, eingetaucht in ein kräftiges, blau-violettes Licht und umhüllt von einem Sternenhimmel. Die Bühne ist leer, nur die Damen von der Inspizienz unterhalten sich in einer Ecke. Ich bewundere die Szene und fotografiere – und bemerke nicht, dass bereits der dreifache Gong erklungen ist und die Operette gleich weitergeht. Der angespannte Blick der Inspizienz und die sich im Zugang sammelnden Schauspieler verraten mir, dass ich sofort von der Bühne muss. Kaum habe ich es sicher in den Backstage geschafft, stimmt das Orchester auch bereits das nächste Stück an.

In der Pause zwischen den beiden Akten bleibt Zeit, die Orchestereinteilung zu kontrollieren…
…und sich über eine bestimmte Stelle in einem der Musikstücke auszutauschen.

Da meine Freundin Tickets für eine der Vorstellungen gekauft hat, habe ich mich bewusst nicht auf die Storyline auf der Bühne geachtet. Jetzt, da ich die Vorführung hinter der Bühne erlebt habe, freue ich mich umso mehr darauf, die burlesque-phantastische Ausstattungsoperette Frau Luna in seiner Gänze als Saalgast erleben zu dürfen.

Auf der Bühne hinter dem Vorhang, nur Momente bevor sich die Solistinnen und Solisten und der Chor in den engen Eingängen bereitstellen und ich begreife, dass ich schleunigst von der Bühne muss.

Zum Stück: Frau Luna

Frau Luna ist das bekannteste Werk des Berliner Komponisten Paul Lincke. Es wurde 1899 im Berliner Apollo-Theater uraufgeführt. Frau Luna erzählt die Geschichte des Mechanikers Fritz Steppke, der seinem Traum vom Fliegen folgen will. Es ist die grosse Zeit der Zeppeline! Doch seine Luftfahrtfantastereien stossen auf völliges Unverständnis und er verliert Job, Wohnung und sogar seine Liebe. Steppke will nur noch weg – am liebsten auf den Mond. Und das tut er dann auch. Auf dem Mond angekommen, staunen Steppke und seine Begleiter und Begleiterinnen nicht schlecht, was sie da vorfinden. Ab hier wendet die Geschichte. Zurück auf der Erde, erhält Steppke einen Brief vom Grafen Zeppelin, der ihn an Bord haben will. Wofür wird er sich entscheiden?

Details: Operetten-Revue in zwei Akten von Paul Lincke, nach einem Libretto von Heinrich Bolten-Baeckers, textliche Neufassung von Otto Schneidereit

Aufführungsort: Stadttheater Sursee
Aufführungszeitraum: Premiere 11. Januar 2020, Derniere 22. März 2020
Aufführungsdauer: 2.5 Stunden inklusive Pause

Tickets: www.stadttheater-sursee.ch


Infos und Tipps


Marco ist am Sempachersee aufgewachsen und kennt die Region wie seine Westentasche. Das Schreiben ist seine Passion und er glaubt ungebrochen an die Kraft von spannenden Geschichten. Das hat er zu seinem Beruf gemacht und heute ist er digitaler Marketer und selbstständiger Contentprofi. Marco bloggt für Sempachersee Tourismus, spricht fliessend Digital, fotografiert leidenschaftlich, rennt, klettert, übernachtet im Zelt und seit er einen VW-Bus besitzt, besteigt er eigentlich kaum noch ein Flugzeug.

1 Gedanke zu „Backstage in der Operette und um ein Haar im zweiten Akt

  1. Danke für den interessanten Beitrag. Meine Mutter (selber aus Sursee, Kt. Luzern) hat an der Operette Frau Luna mitgewirkt – als Sängerin. Ich habe ihr den Blog-Artikel geschickt, was sie sehr gefreut hat. «Doch für Ohren und Herz ist dieser Chorgesang eine regelrechte Massage – die kräftigen Stimmen, die den Raum mit wunderbaren, harmonischen Klängen füllen – es ist herrlich.» Das muss wunderbr gewesen sein, leider war ich jenes (Corona-)jahr in AUstralien und konnte die Aufführungen nicht live miterleben.

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