Ein Hidden Champion ist ein Unternehmen, das in seinem Gebiet Weltklasse ist und fast niemand kennt die Firma. Wenn sich die Herstellung von Glocken, Digitalisierung von Kirchturmuhren und der Beruf der Vergolderin treffen, entsteht die Muff Kirchturmtechnik in Triengen. Filigrane Handarbeit ist notwendig, wenn Kirchturmuhren und -spitzen nach Jahrzehnten renoviert werden. Ein beeindruckender Einblick in dieses Metier.

Vergoldete Sonne der Kirche St. Martin in Münsingen © Peter Regli

Der Beruf «Vergolderin» hat nichts mit Spekulation zu tun

Gold – ein Werkstoff mit unglaublicher Anziehungskraft und Stoff für viele Geschichten. Vom Raub bis zum Schmuckstück am Handgelenk. Geraubt habe ich nichts (versprochen) bei meinem Besuch in Triengen. Gestaunt sehr wohl. Das Projekt «Renovation Kirche St. Martin in Münsingen» war in der Schlussphase. Kurz bevor, unter anderem mit einem Helikopter, die Montage vor Ort gemacht werden konnte. Ein Projekt, welche im Juni 2020 begonnen hat und jetzt im November 2020 zum Abschluss gekommen ist.

Von der Sonne bis zum Tresor auf der Spitze des Turmes

Kirchturmuhren verkünden seit Jahrhunderten die genaue Uhrzeit. Heute übernimmt das ein Smartphone – doch noch immer gilt: Die Kirchturmuhr ist für viele Menschen eine wichtige und schnelle Zeitanzeige mit einem Blick.

Acht Zeiger mussten für die Kirche in Münsingen general überholt werden. Nach Adam Riese sind es folglich vier Zifferblätter, die ebenfalls wieder auf Hochglanz gebracht wurden. Dazu kommen vier Sonnen wie oben im Bild, welche von Hand mittels Blattgold mit viel, sehr viel Geduld neu vergoldet werden. Später mehr dazu.

Das grosse Kreuz ganz zuoberst auf dem Turm, musste ebenfalls komplett überarbeitet werden. So auch der Windabweiser, ebenfalls in Gold und für mich der Überraschung des Tages – die goldige Abschlusskugel. Nicht die Kugel an sich ist eine Überraschung, jedoch der Verwendungszweck. Diese Abschlusskugeln werden als Tresor verwendet und bei der Montage jeweils mit allerlei gefüllt, beispielsweise den Plänen, Zeitungsartikeln und ähnlichem.

Das Kreuz am Helikopter bei der Montage © Peter Regli

Die Königsdisziplin der Restauration

Die Restauration von alten, in der Regel sind es Unikate, Zifferblättern und der Zeiger, sind eine Kunst. Ein Kunsthandwerk der besonderen Art. Vorhandene Substanz zu nutzen und neue Teile zu erstellen, ohne das Gesamtbild zu verändern – eine grosse Herausforderung. Der Denkmalschutz ist dabei stehts mit im Boot.

Eine Sonne mit einem Durchmesser von 90 Zentimeter liegt vor mir auf dem Tisch. Berühren verboten! Denn ein Laie oder Banause wie ich soll mit den Augen geniessen. Nach der perfekten Lackierung wird die Sonne mittels Kleber, einer sogenannten Mixtion vorbereitet. Nach 12 Stunden Trocknungszeit wird jedes einzelne hauchdünne Blattgold mit seinen 23.75 Karat sorgfältig aufgetragen. Rund 100 Blättchen Blattgold und sechs Stunden Aufwand sind zu berechnen bis eine Sonne fertig, sprich neu vergoldet ist.

Priska Gfeller, Vergolderin © Peter Regli

Kirchturmtechnik als museales Erlebnis

Die Muff Kirchturmtechnik wurde 1918 gegründet, hat also schon einige Jahr auf dem Buckel. Aktuell führt die 3. Generation das Familienunternehmen, dem seit 2007 ein Museum angegliedert ist. So werden Sammelstücke und echte Raritäten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Eine spannende Reise in die Vergangenheit von Kirchturmuhren. Damit leistet die Muff Kirchturmtechnik einen bedeutsamen Beitrag zur Erhaltung oder Dokumentation der Turmuhrtechnologie. Im Museum kann durchaus die eine oder andere Glocke zum Klingen gebracht werden.

Hidden Champions sind nicht gerne im Rampenlicht. Ein Besuch des Museums ist eine besondere Reise wert. Den Einblick in das Vergolden durfte ich exklusiv geniessen – spannend, lehrreich und zum grossen Staunen. Kirchturmtechnik ist eine Reise in die Region Sempachersee wert. Viel Vergnügen!

Eine Rarität aus dem Museum © Thomas Muff

Infos und Tipps


Menschen aus der Region Luzern-Vierwaldstättersee. Sie berichten über ihre persönlichen Erlebnisse, plaudern aus dem Nähkästchen und verraten unbekannte Schätze aus der Region. Ob Malerin, Grafiker oder Bauarbeiter. Sie alle verbindet die Begeisterung für ihre Region.

1 Gedanke zu „Gold am Helikopter

  1. Das sieht gut aus. Sehr interessant zu lesen. Das habe ich nicht gewusst. Ein Beruf der viel Geduld fordert. Ist auf jeden Fall kein Banause wer das kann. Danke für diesen Bericht. Beste Grüsse an Priska

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